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Politik: Die Notizen des Zeugen

BBC-Journalist verschärft Manipulations-Vorwurf gegen Blair

Von Matthias Thibaut

und Albrecht Meier

Eigentlich soll es bei der Untersuchung von Lordrichter Brian Hutton nur um die Umstände des Selbstmordes des britischen Biowaffen-Experten David Kelly gehen. Doch schon am zweiten Tag der Zeugenbefragung in London geriet eine weiter gehende Frage in den Mittelpunkt: Wie fundiert war die Begründung des britischen Premiers Tony Blair für den Irak-Krieg? „Die Waffenarsenale des Irak waren nur klein“, hatte Kelly nach den Gesprächsnotizen des BBC-Korrespondenten Andrew Gilligan gesagt. Gilligan, der am Dienstag bei der Hutton-Untersuchung aussagte, ist eine der Schlüsselfiguren in der Affäre Kelly. Der Waffenspezialist hatte sich im Juli das Leben genommen, nachdem er in das Zentrum eines Streits zwischen der britischen Regierung und der BBC geraten war.

Bei der Vernehmung am Dienstag legte Gilligan, dessen BBC-Bericht über einen angeblich aufgebauschten Kriegsgrund im vergangenen Mai den Streit mit der Regierung ausgelöst hatte, noch einmal nach: „Sogar wenn alles gut gelaufen wäre für Saddam Hussein, hätte er nicht viele Menschen töten können – keine Massenvernichtung im echten Sinne des Wortes.“ Dies habe Kelly ihm gesagt, gab der BBC-Reporter zu Protokoll.

Gilligan bestätigte die in verschiedenen BBC-Berichten gegebene Darstellung von Kellys Zweifeln an Blairs Irak-Dossier vom vergangenen September. Das Dossier sei in den Wochen vor der Veröffentlichung „verändert“ worden, berichtete Kelly nach Auskunft des BBC-Korrespondenten. „Um es sexier zu machen?“, hatte Gilligan nachgefragt. „Ja“, habe der Regierungsberater geantwortet und als „klassisches Beispiel“ die Behauptung genannt, Saddam Hussein könne einen Biowaffen-Angriff in nur 45 Minuten starten.

Bei dem fraglichen Gespräch mit Kelly am 22. Mai habe er dann wissen wollen, wie die Änderungen im Irak-Dossier zu Stande gekommen seien, erinnerte sich Gilligan mit Blick auf seine Notizen in seinem Palm-Organizer. Kelly habe darauf den Namen „Campbell“ fallen lassen. Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss hatte Kelly im vergangenen Monat allerdings bestritten, dass er Alastair Campbell, Kommunikationschef von Regierungschef Blair, persönlich für die Veränderung des Irak-Dossiers verantwortlich gemacht habe.

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