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Politik: Die Opposition schreibt mit

Die Queen verliest Blairs letzte Regierungserklärung – sein Programm für das kommende Jahr nimmt auch Ideen der Tories auf

Wie jedes Jahr näherte sich der Lord Chancellor in gebückter Haltung dem Thron im Londoner Oberhaus, nahm das Manuskript der Thronrede aus dem Seidentäschchen und überreichte es der Königin zum Vortrag. Die feierliche Zeremonie einer Parlamentseröffnung zeigt, wie die Macht zwischen Monarchin und Regierung verteilt ist, deren Sendbote der Lord Chancellor ist. Für Königin Elisabeth, mit Krone in vollem Staatsornat, war es am Mittwoch die 55. Thronrede. Für ihren ersten Diener, Premierminister Tony Blair, der alles im Straßenanzug stehend verfolgte, war es die zehnte und letzte. Beim nächsten Mal, im Oktober 2007, wird ein anderer Premier den Text für diese Regierungserklärung aufsetzen.

Blair will mit neuen Gesetzesinitiativen für Sicherheit und Ordnung beweisen, dass er die Zügel noch fest in der Hand hat – und die Sicherheitsbesorgnisse der Bevölkerung besser versteht als die konservative Opposition. Vorgesehen ist das umstrittene Gesetz über Personalausweise, zusätzliche Befugnisse gegen organisiertes Verbrechen, Polizeivollmachten für Zollbeamte und eine Reform des Strafrechts.

Über das neue Antiterrorgesetz, das Innenminister John Reid schon in Bearbeitung hat und das unter anderem hunderte über die Gesetzgebung verstreute Maßnahmen konsolidieren soll, schwieg sich die Queen erst einmal aus. Reid hatte vor der Thronrede noch einmal in düsteren Worten vor einer „Welle von Terroranschlägen“ gewarnt, die von Terroristen, gesteuert von Al Qaida, im Land geplant werde. Allerdings dürfte der Versuch der Regierung, die Frist zwischen einer Verhaftung und einer Anklageerhebung in Terrorfällen auf 90 Tage auszuweiten, im kommenden Jahr zu erbitterten politischen Kämpfen im Unterhaus führen. Innenminister Reid hat offenbar mit einer grundsätzlichen Bestandsaufnahme der Sicherheitsstrukturen begonnen. Im Gespräch ist ein Ministerium für innere Sicherheit nach amerikanischem Vorbild, wie es die Konservativen seit langem fordern.

Auch bei einem zweiten großen Gesetzesprojekt handelt Blair unter dem Druck der Konservativen: Nachdem die Tories zusammen mit der Umweltschutzgruppe „Friends of the Earth“ einen Entwurf für ein Klimagesetz vorstellten, das die Einhaltung jährlicher Klimaziele durch eine unabhängige „Wachhundkommission“ durchsetzen soll, versprach auch Blair ein Klimagesetz. Aber es stellt nur fünfjährige, vom Kyoto-Protokoll vorgegebene Klimaziele in Aussicht. Dies sei „eine verwässerte Version unserer Vorschläge“, kritisierte Oppositionsführer David Cameron. Politische Beobachter rätseln, wer den größten Einfluss auf dieses Regierungsprogramm hat: Blair, dessen Position auch angesichts der Ermittlungen der Polizei wegen der Spendenaffäre bei der Labour-Partei ungewiss ist – oder sein mutmaßlicher Nachfolger Gordon Brown, der vielleicht Großteile des Programms selbst durchsetzen muss. Möglich ist auch, dass Innenminister Reid, aus dessen Haus die meisten Gesetze kommen, großen Einfluss auf die Regierungserklärung hatte. Reid ist innerhalb der Labour-Partei der einzige, der Browns Weg in die Downing Street 10 noch stoppen könnte.

Die Queen kündigte auch eine USA-Reise für Mai 2007 an. Sie werde zusammen mit ihrem Mann Prinz Philip in die USA reisen, um der ersten englischen Auswanderer zu gedenken, die vor 400 Jahren dort eintrafen. (mit AFP)

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