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Politik: „Die Pekinger Führung hat die Unterdrückung verschärft“

Der China-Experte von Amnesty International, Dirk Pleiter, über den Besuch von Präsident Hu und die Lage der Menschenrechte

Herr Pleiter, die Menschenrechte spielen beim Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Deutschland kaum eine Rolle. Es geht um Wirtschaftsabkommen.

Der noch amtierende Kanzler Gerhard Schröder ist der Frage der Menschenrechte immer ausgewichen. Er hat stattdessen auf den Rechtsdialog mit China verwiesen. Zu meiner Enttäuschung hat die designierte Kanzlerin Angela Merkel diesen Kurs bei ihrem Gespräch mit Hu jetzt fortgesetzt. Der Dialog als einziges Mittel der Menschenrechtspolitik reicht aber nicht aus. Er muss mit politischem Druck gepaart werde. Die Bundesregierung muss China öffentlich kritisieren.

Die Sorge ist groß, dass darunter die wirtschaftlichen Beziehungen leiden könnten …

Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigen, dass die chinesische Führung mit Kritik umgehen kann. Der scheidende Außenminister Joschka Fischer kritisierte China jedes Jahr vor der UN-Menschenrechtskommission. Jedes Mal protestierten die Chinesen. Aber die wirtschaftlichen Beziehungen haben nicht gelitten.

Wie hat sich die Lage der Menschenrechte unter Präsident Hu dort verändert?

Wir können keine Verbesserung erkennen. Die Repression gegen religiöse Minderheiten wie Falun Gong ist verschärft worden. Mit Härte wird gegen die muslimischen Uighuren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang vorgegangen, die für die Unabhängigkeit kämpfen. Im Bereich Informationsfreiheit hatte es unter Hus Vorgänger Jiang Zemin Verbesserungen gegeben, die alle kassiert wurden. Eine große Zahl von Menschen wird mittlerweile wegen der Weitergabe von Staatsgeheimnissen angeklagt. Das ist in China ein sehr weit gefasstes Delikt und umfasst auch Informationen über Menschenrechtsverletzungen.

Wirkt sich das rasante Wirtschaftswachstum Chinas auf die Menschenrechtssituation aus?

Im europäischen Chinabild dominieren derzeit die Glitzerwelten der großen Städte. Aber die Zahl der Verlierer der wirtschaftlichen Reformen ist relativ groß. Die Einkommensunterschiede sind heute größer als in Westeuropa, die Kriminalität wächst. Um der wachsenden sozialen Spannungen Herr zu werden, setzt die chinesische Führung auch auf Repression. Es gibt heute rund 70 Delikte, die mit derTodesstrafe geahndet werden, darunter Drogenhandel, Korruption und Steuervergehen. Ein Angehöriger des Nationalen Volkskongresses gab die Zahl der Hinrichtungen für 2004 mit 10000 an. Für die Stabilität Chinas wäre ein klügerer Umgang mit seinen Konflikten enorm wichtig. Das sollte man der chinesischen Führung deutlich sagen.

Wie steht es um die Opposition in China?

1998 wurde die Chinesische Demokratische Partei gegründet. Ihre Idee lebt fort, doch sie wird mit allen Mitteln unterdrückt. Allerdings gibt es es eine zunehmende Zahl von Menschen, die sich für die Rechte anderer engagieren. Das sind beispielsweise Anwälte, die die Opfer von Umsiedlungen vertreten. Für die tollen Hochhäuser, über die wir im Fernsehen staunen, wurden vorher Menschen ohne Entschädigung vertrieben. Ihre Anwälte gehen ein hohes Risiko ein, selbst angeklagt zu werden.

Die Fragen stellte Philipp Lichterbeck.

Dirk Pleiter ,

37, ist seit 1988

China-Experte

in der deutschen

Sektion der

Gefangenenhilfs-

organisation

Amnesty

International.

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