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Die Politik startet wieder: Was auf den Kabinettstisch kommt

Es wird wieder Politik gemacht – die Kanzlerin ist aus dem Urlaub zurück. Was steht nun alles an?

Von Hans Monath

Die Kanzlerin ist aus dem Urlaub zurück im Amt, aber die Weltkrisen hatten sie auch in Südtirol nicht losgelassen. „Es heißt nicht umsonst, dass ich als Bundeskanzlerin immer im Dienst bin“, hatte Angela Merkel vor ihrer Abreise versichert: Sie werde, „wenn es notwendig ist, für alle notwendigen Aufgaben zur Verfügung stehen“. Das tat sie denn auch, wie etwa etliche Meldungen über ihre Telefonate mit den Protagonisten der Ukraine-Krise belegen. In ihrer ersten Arbeitswoche wird Merkel am Mittwoch wieder das Kabinett leiten, hat aber ansonsten keine öffentlichen Termine in der Hauptstadt geplant.

Die innenpolitischen Themen, die auf sie warten, können es von der Dramatik her nicht mit dem Nordirak, dem Gaza-Streifen oder der Ukraine aufnehmen. Aber das Konfliktpotenzial der Maut-Debatte wird die Kanzlerin kaum unterschätzen. Dabei geht es auch um die Berücksichtigung von CSU-Positionen und damit um den Zusammenhalt der Koalition. Was das Verhältnis zur SPD angeht, ist die Lage eher entspannt: Abgesehen von dem Streit um schärfere Gesetze gegen Islamisten hat die Sommerpause keine neuen Konflikte mit den Sozialdemokraten gebracht. Auf EU-Ebene stehen wichtige Personalentscheidungen an – dabei geht es auch um europäische und deutsche Interessen. Im Herbst muss die Koalition wieder einen Haushalt aufstellen. Dass sie von Entlastung bei der kalten Progression nichts hält, hat Merkel schon deutlich gemacht. Schließlich will sich die CDU-Chefin auch in den drei Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen einmischen und für ihre Partei werben.

Die Pkw-Maut: Hoffen auf die EU

Auch im Urlaub hat Alexander Dobrindt das Thema Maut nicht losgelassen. Denn der CSU-Verkehrsminister verbrachte die freien Tage in Norditalien – dort musste er bezahlen, um die Autobahn nutzen zu dürfen. So soll es nach seinem Willen auch in Deutschland werden. Mehr noch: Bundes- und Landstraßen will Dobrindt ebenfalls mautpflichtig machen. 600 Millionen Euro pro Jahr soll das bringen, gezahlt allein von Autofahrern aus dem Ausland – die Deutschen sollen einen Ausgleich über die Kfz-Steuer bekommen.
Über den Sommer gab es eine heftige Debatte über diesen Plan – allerdings ging es dabei kaum um Grundsätzliches. Zwar gab es ein gewisses Murren in der CDU und selbst in der CSU, die die Idee mit der Maut überhaupt erst in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hatte. Aber in der SPD, in deren Reihen die schärfsten Maut-Gegner sitzen, ging es relativ ruhig zu – auch, weil Sigmar Gabriel die Parole ausgegeben hatte, Dobrindt bei dem schwierigen Thema zu unterstützen.
Womöglich gleicht Gabriels Kalkül dem der Kanzlerin – beide setzen darauf, dass Brüssel die Pkw-Maut schon stoppen wird. Denn das ist der große Knackpunkt: Die einseitige Belastung von Ausländern könnte gegen EU-Recht verstoßen, das sehen viele Juristen so. Dobrindts Ministerium versucht gerade, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der EU-Kommission Bedenken auszuräumen. Ende September wird es nach den derzeitigen Plänen dann den Gesetzentwurf geben – und 2016 fängt der Minister dann zu kassieren an. brö

Netzpolitik: Die Dörfer erreichen

Was Bundeskanzlerin Angela Merkel vor nicht allzu langer Zeit noch als „Neuland“ bezeichnete, ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken: das Internet. Dessen Tragweite ist sich auch die Bundesregierung bewusst, die in ihrer Kabinettssitzung am 20. August die „Digitale Agenda 2014-2017“ verabschieden will. Laut einem Sprecher des Innenministeriums ist das netzpolitische „Hausaufgabenheft“ der Bundesregierung, bis auf „redaktionelle Kleinigkeiten“, fertig gestellt und mit den zuständigen Ressorts abgestimmt. Federführend sind die Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur, Wirtschaft sowie Inneres. Die Ziele sind hochgesteckt. Wie es in einem Agenda-Entwurf, der vorab an die Öffentlichkeit gelangte, heißt, solle Deutschland „digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa“ werden. Ein großes Problemfeld stellt in diesem Zusammenhang der Ausbau der Breitbandnetze dar. Vor allem im ländlichen Raum besteht hier erheblicher Nachholbedarf. Bis 2018 will das Verkehrsministerium eine flächendeckende Versorgung mit mind. 50 Mbit/s gewährleisten. Kritiker monieren, die Finanzierungspläne seien im Agenda-Entwurf zu ungenau. Ein Ministeriumssprecher wies diese Vorwürfe zurück und sagte dem Tagesspiegel, man wolle für den Netzausbau im ländlichen Raum unter anderem auf das bereits bestehende Mobilfunknetz zurückgreifen und somit die Kosten senken. Weitere Themen der Agenda sind die IT-Sicherheit, Netzneutralität und die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus soll die Medienkompetenz der Bevölkerung gestärkt und der Schutz persönlicher Daten modernisiert werden. fzö

Sterbehilfe: Ethik in Not

Kontrovers diskutiert wird das Thema seit Jahren, im Herbst wird es endgültig zum Politikum. Dann nämlich befasst sich der Bundestag mit der angestrebten Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland. Dabei geht es um die Frage, ob und in welchem Umfang auch die Beihilfe zur Selbsttötung verboten werden soll. Bisher ist sie straffrei, verfolgt wird lediglich aktive Sterbehilfe, die so genannte Tötung auf Verlangen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirbt seit Monaten für ein Verbot jeglicher Form von organisierter Sterbehilfe – obwohl er dafür vom Ressort her gar nicht zuständig ist. Justizminister Heiko Maas (SPD) wiederum hält sich bedeckt und postuliert nur, dass er das Thema ganz dem Parlament überlassen will. Das Thema sei ethisch und moralisch derart komplex, dass die Abgeordneten allein nach ihrem Gewissen und unabhängig von Fraktionsvorgaben entscheiden müssten. Dies ist auch Konsens in der Koalition. Zu rechnen ist mit mindestens zwei fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen: einem für das grundsätzliche Verbot organisierter Sterbehilfe und einem, der sie zwar Geschäftemachern verbietet, Ärzten aber erlaubt. In der vergangenen Legislatur hatte Angela Merkel einen Gesetzesvorstoß des Justizministeriums gestoppt, weil er nur kommerziell betriebene Sterbehilfe unter Strafe gestellt, die bisher im Graubereich agierenden Sterbehilfe-Vereine aber legalisiert hätte. Sie strebe ein Verbot organisierter Sterbehilfe an, hatte sie betont. Und dass man sich die Zeit nehmen müsse, dafür eine Mehrheit zu finden. raw

Steuerpolitik: Kalt erwischt

Zwar klang es wie ein „Basta“ der Kanzlerin, aber dennoch wird sie die Debatte nicht los: Vor einer Woche erklärte Angela Merkel, für Steuerentlastungen gebe es keine Spielräume, die Haushaltskonsolidierung habe Vorrang vor dem Abbau der kalten Progression. Doch weil sich im Hintergrund Allianzen zwischen ernstzunehmenden Akteuren anbahnen, wird die Kanzlerin das Thema nicht aussitzen können. Es geht um das für Arbeitnehmer unheilvolle Phänomen, dass Lohnerhöhungen durch den progressiven Verlauf des Steuertarifs und das gleichzeitige Wirken der Inflation zumindest teilweise aufgefressen werden. Der Wirtschaftsflügel in der Union und die Mittelstandsvereinigung (MIT) wollen diesen Zustand mit dem Argument beseitigen, dass Schwarz-Rot ja versprochen habe, dass die Steuern nicht erhöht würden. Aber die kalte Progression sei in der Konsequenz eben doch eine verdeckte Steuererhöhung.

Dass auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel in dieses Horn bläst, macht die Sache für Merkel noch schwieriger. Angesichts noch immer kräftig sprudelnder Steuereinnahmen wird sie dann spätestens auf dem CDU-Parteitag im Dezember den Druck in dieser Richtung spüren. Der CDU-Mittelstand wirbt schon jetzt an der Basis kräftig für das Modell, den Einkommensteuertarif automatisch an die Inflation zu koppeln und den gesamten Tarif entsprechend rollend zu verschieben – wie es auch in den meisten Ländern rings um Deutschland geschieht. sc

Außenpolitik: Direkter Draht zu Putin

Das erste Thema, das der ebenso wie seine Chefin frisch aus dem Urlaub zurückgekehrte Regierungssprecher am Montag in der Bundespressekonferenz in Berlin ansprach, war die Ukraine: Im Namen seiner Regierung beklagte Steffen Seibert die schlechte humanitäre Lage im Osten des Landes und mahnte, russische Hilfskonvois dürften nur mit Zustimmung der Regierung in Kiew ins Land. Von allen aktuellen Konflikten – Ukraine, Gaza-Konflikt, Irak, Syrien – ist der um den Nachfolgestaat der Sowjetunion für Deutschland der gefährlichste: wegen der räumlichen Nähe, weil er die gesamte Nachkriegsordnung Europas gefährdet und auch weil er ein erhebliches Eskalationsrisiko birgt.
Es ist zugleich der Konflikt, in dem die Bundesregierung eine größere Verantwortung und auch einen weit größeren Handlungsspielraum hat als in den Krisen im Nahen und Mittleren Osten. Im Streit mit Russland versucht Berlin alle 28 EU-Staaten zusammenzuhalten, die auch aus historischen Gründen ganz unterschiedlich auf die russische Aggression reagieren. Bislang ist das gelungen. Für Moskau ist Deutschland ein wichtiger Partner, der Zugänge hat, die anderen westlichen Staaten verschlossen sind. Die Linie der Bundesregierung heißt: Jede Chance für diplomatische Lösungen ausloten, ohne dabei die eigene Verankerung im Westen zu gefährden oder an dem klaren Urteil über schon erfolgte oder noch befürchtete russische Übergriffe Abstriche zu machen. Die Häufigkeit der Kontakte zwischen Kanzlerin und Präsident Wladimir Putin belegen, wie sehr beiden die Bedeutung dieses direkten Drahts bewusst ist. Auch in ihrem Urlaub telefonierte Merkel mehrfach mit Putin. Weltweit geachtet wird Merkel ohnehin: Nach neun Jahren im Amt ist die Deutsche auf dem internationalen Parkett erfahren wie kaum ein anderer Staats- und Regierungschef.
Beim Versuch, einen Ausweg aus dem Gaza-Konflikt zu finden, kam innerhalb der Regierung Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die führende Rolle zu. Beim Irak allerdings sieht sich Berlin nicht in einer Führungsrolle, sondern die vielmehr die USA. Vorwürfe, die deutsche Außenpolitik sei angesichts der dramatischen Lage zu passiv, wies Seibert zurück. Er sehe „ein Deutschland, das seiner Verantwortung versucht hat nachzukommen“. hmt

Strommarkt: Preis des Überangebots

Nach der Reform ist vor der Reform. Die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ist gerade erst verabschiedet. Doch schon stehen die nächsten großen Energiewende-Reformen an. Die größte ist die Debatte darüber, wie der Strommarkt künftig organisiert werden soll. Zwar wird ein Großteil des Stroms in Deutschland über längerfristige Termingeschäfte gehandelt. Doch der Preis, der sich für die an der Leipziger Strombörse gehandelten Mengen bildet, ist auch für diese Termingeschäfte ein wichtiger Referenzpreis. An der Börse ist Strom seit Jahren immer weniger wert. Das liegt an großen Produktionsüberkapazitäten mit konventionellen Kohle- und mit Atomkraftwerken. Gleichzeitig wächst der Anteil erneuerbarer Energien. Da Wind-, Solar- und Biomassestrom im Netz Vorrang haben, drücken sie an sonnigen oder windigen Tagen den Großhandelspreis in die Nähe von Null. Wenn an solchen Tagen konventionelle Kapazitäten nicht vom Netz gehen, sinken die Preise sogar ins Negative: Wer dann noch Strom kauft, bekommt dafür Geld. Das ist nicht der Normalfall, zeigt aber eine strukturelle Schwäche des aktuellen Strommarkts. Hohe Preise werden immer seltener mit dem Ergebnis, dass effiziente und flexible Gaskraftwerke nicht mehr wirtschaftlich sind. Ob dieses Problem mit einem zweiten Preis, der die Bereitstellung von Erzeugungskapazität belohnt, oder anders gelöst wird, wird aktuell heftig diskutiert. Der Druck auf die Regierung das vor 2017 anzugehen, wie das im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, wächst stetig. deh

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