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Politik: Die PR-Abteilung der Nation

Am Anfang war eine Idee von Herbert Wehner (SPD) und Jakob Kaiser (CDU): 37 Jahre lang warb das „Kuratorium unteilbares Deutschland“ im Westen für die Einheit

Der blutige 17. Juni war noch in frischer Erinnerung, und Anfang 1954 herrschte Enttäuschung über das Scheitern der Viermächte-Konferenz im Berliner Kontrollratsgebäude. Zu dieser Zeit trafen sich Herbert Wehner und Wilhelm Wolfgang Schütz zwei Mal in einem Kurfürstendamm-Café. Der Bonner SPD-Stratege und der Berater des Ministers für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser (CDU), suchten den Schlüssel zur Wiedervereinigung. Wehner war sehr angetan von der Idee einer „Volksbewegung“, die Kaiser schon seit 1950 umtrieb und die er nun bis zum Jahrestag des Volksaufstandes im Osten auf die Beine stellen wollte.

Kaiser hatte Erfolg. Am 14. Juni 1954 konstituierte sich in Bad Neuenahr das „Kuratorium unteilbares Deutschland, Volksbewegung für die Wiedervereinigung“. 133 führende Vertreter der Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur erklärten in ihrem Manifest, man könne keine Hilfe der Welt zur Wiederherstellung der deutschen Einheit erwarten, ohne selbst alles dafür zu tun.

Kaiser sorgte dafür, dass sein Vertrauter Schütz Geschäftsführer und der einstige Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) Präsident wurde. Schütz hatte im Londoner Exil Kontakte zur indischen Elite gehabt, ihr gewaltloser Unabhängigkeitskampf beeindruckte ihn tief. Nun sprühte er vor Ideen, wie die Deutschen ihr Schicksal in die Hand nehmen könnten. Den Begriff „Volksbewegung“ ließ man bald fallen, das Kuratorium wurde zum überparteilichen Ort deutschlandpolitischer Debatten. Die SPD erkannte rasch ihre Chance zur Einflussnahme.

Mit Jahrestagungen in Berlin, Veranstaltungen zum 17. Juni, Vorstößen bei den UN und spektakulären Aktionen für die Bürger sollte der Wunsch nach Einheit wach gehalten werden. Bundeskanzler Konrad Adenauer verhielt sich reserviert. So riet er von der ersten Jahrestagung 1956 in Berlin ab, erfolglos. Auch zur Resolution des Kuratoriums, die Hauptstadt nach Berlin zu verlegen – Motto: „Baustopp in Bonn, Baubeginn in Berlin“ – ging Adenauer auf Distanz. Er wollte keine unsichere Hauptstadt.

Legendär wurde die Aktion „Macht das Tor auf“ ab 1958, bei der silberne Anstecknadeln mit dem Brandenburger Tor verkauft wurden (siehe Seite 13). Einer der größten Erfolge wurde auch der Stafettenlauf der Jugend im Juni 1960 von der DDR-Grenze aus durch alle Bundesländer. Die Vertiefung der Spaltung war aber nicht aufzuhalten. Von einem „Traditionsverein“ und dem „Kuratorium unheilbares Deutschland“ war spöttisch die Rede. Ernst Lemmer (CDU), Kaisers Nachfolger als gesamtdeutscher Minister, meinte nur trocken, „Sonntagsreden“ seien nötig, „damit das Volk nicht einschläft“.

In den sechziger Jahren kam es mit der beginnenden Entspannungspolitik zu Spannungen im Kuratorium. Schütz regte 1965 Beziehungen zwischen den beiden „Gliedstaaten einer Nation“ an und sagte erstmals DDR statt SBZ. Er war schon Berater Willy Brandts, als er 1972 überraschend den geschäftsführenden Vorsitz im Kuratorium niederlegte und sich der SPD anschloss, um damit ein Zeichen gegen die Gefahr des Scheiterns der Ostverträge zu setzen. Er blieb aber Präsidiumsmitglied im Kuratorium, das im Zuge der Entspannungspolitik in den Hintergrund trat. Doch erst am 20. April 1991 löste es sich auf. Wilhelm Wolfgang Schütz starb 2002 im Alter von 90 Jahren.

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