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Asien: Die Proteste in Thailand gehen weiter

In Thailand hört der Machtkampf zwischen Stadt und Land nicht auf. Experten warnen vor einer dauerhaften Lähmung des Landes.

Berlin - Eigentlich ist Songkran, das Neujahrsfest in Thailand, die fröhlichste und nasseste Party des Jahres. Doch in diesem Jahr will keine rechte Feststimmung aufkommen. Nach den tödlichen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Militär am vergangenen Samstag – fünf Soldaten und 18 Regierungsgegner starben – zeigen die Rothemden keine Neigung, ihre nunmehr fünf Wochen anhaltenden Proteste gegen die Regierung einzustellen. Im Gegenteil: Am Donnerstag, dem letzten Tag des Neujahrsfestes, haben sie sich mitten in der Innenstadt zwischen Einkaufszentren und Fünf-Sterne-Hotels neu gesammelt.

Zu Gesprächen mit der Regierung sind die Rothemden weiter nicht bereit. Und Premierminister Abhisit Vejjajjiva beharrt weiter darauf, das Parlament frühestens in einem halben Jahr aufzulösen, um Neuwahlen abzuhalten. Außenminister Kasit Piromy brach indessen ein Tabu und forderte eine Debatte über die Rolle des Königs. Eigentlich hatte Abhisit darauf gesetzt, dass die zehntausenden Demonstranten aus Anlass der Feiertage aufs Land zurückkehren, vermutet der Thailandexperte Marco Bünte vom Leibniz-Institut für Globale und regionale Studien (Giga) in Hamburg. „Der Premier wollte das aussitzen.“ Ohne die Eskalation vom Wochenende hätte die Strategie womöglich sogar aufgehen können. Doch für Bünte ist die entscheidende Frage jetzt: „Warum sind diese Schüsse gefallen?“ Nach wochen- und monatelangen meist friedlichen Protesten kam diese Eskalation „überraschend“ und angesichts der hohen Zahl von Toten (24) und Verletzten (rund 800) vermutet er, „dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist“. Denkbar wäre durchaus, dass Armeeeinheiten eigenmächtig gehandelt hätten. Einheiten, die die monatelangen Proteste und Verstöße gegen das Versammlungsverbot nicht weiter hinnehmen wollten. Angesichts der Tradition von Militärputschen im Lande stehe dieser Verdacht in Thailand immer schnell im Raum, meint Bünte. Aber auch auf Seiten der Rothemden gebe es Waffen, daher sei bisher schwer zu sagen, was genau passiert sei. „In Thailand gibt es immer zwei Wahrheiten“, beschreibt er das Dilemma.

Der Thailandexperte vom Südostasiensinstitut der Humboldt-Universität in Berlin, Serhat Ünaldi, ist weniger überrascht über den Gewaltausbruch. Der Konflikt schwele seit fünf Jahren und alle Versuche, ihn rechtlich oder politisch beizulegen, seien bisher an mangelnder Kompromissbereitschaft beider Seiten gescheitert. Daher werde der Konflikt nur noch auf der Straße ausgetragen. „Durch die stetige Polarisierung ist der Pragmatismus abhanden gekommen“, analysiert Ünaldi. Er sieht in dem Vorschlag des Premiers, Neuwahlen Ende des Jahres abzuhalten – seine Amtszeit endet erst 2011 – durchaus einen „Kompromiss“, den allerdings die Rothemden ablehnen . Sie bestehen auf einer sofortigen Auflösung des Parlaments. Es wird angenommen, dass das Militär einen früheren Termin verhindere, weil zum 1. Oktober ein neuer Oberbefehlshaber der Streitkräfte ernannt und andere Spitzenposten neu besetzt werden müssen. Diese Personalien sollten auf jeden Fall noch von der jetzigen, loyalen Regierung abgesegnet werden. Dennoch hat sich auch der im Oktober scheidende Armeechef Anfang der Woche für Neuwahlen ausgesprochen, um die Krise zu beenden – das Datum müsse allerdings in Verhandlungen bestimmt werden.

Marco Bünte vom Giga-Insitut in Hamburg erwartet allerdings kein Ende des Konflikts: „Neuwahlen bieten nur die Möglichkeit, dass den Roten nahe stehende Kräfte wieder an der Regierung kommen.“ Doch diese hatten auch die vergangenen Wahlen gewonnen und waren dann aus der Regierung gedrängt worden. Das Grundproblem dieses strukturellen Konflikts sei die Ungleichheit der Einkommensverteilung zwischen Stadt und Land, die seit den 90er Jahren beklagt werde. Vor allem die starke Bürokratie verhindere jedoch eine nötige Dezentralisierung als mögliche Lösung.

Interessant finden Experten, dass die Rothemden sich langsam von Ex-Premiers Thaksin Shinawatra lösen, der derzeit in Dubai im Exil sitzt. „Im letzten halben Jahr hat sich eine Organisation herausgebildet, die unabhängig von Thaksin ist“, meint Bünte. Thaksin hatte sich in jüngster Zeit auch deutlich seltener mit Videobotschaften an seine Anhänger gewendet. Nach Ansicht von Pavin Chachavalpongpun vom Institute of Southeast Asian Studies in Singapur ist das ein „positiver Schritt“, da der wegen Korruption verurteilte Thaksin nicht als Demokrat gilt. Die Forderung von Außenminister Kasit, eine Debatte darüber zu beginnen, wie eine demokratische Gesellschaft aussehen soll, welche Rolle darin das Militär und auch der König zu spielen habe, hat Regierungssprecher so verdutzt, dass sie zunächst prüfen wollten, ob Kasit das wirklich gesagt habe.

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