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Politik: „Die Realpolitik frisst uns auf“

Lothar Bisky gilt als Kandidat für den PDS-Vorsitz. Der Basis präsentiert er sich als Versöhner für die zerstrittenen Flügel

Von Matthias Meisner

„Man pflegt keine Hobbys, wenn die Partei so kaputt ist.“ Lothar Bisky, brandenburgischer PDS-Fraktionschef und früherer Parteivorsitzender, sagt gleich beim Eintreffen, dass die Lage seiner Partei außerordentlich ernst ist. Noch am Vortag hat er erklärt, er wäre nur eine „Notlösung“, wenn nach dem Rückzug von Gabi Zimmer ein neuer PDS- Chef gebraucht wird. Nun, beim Ortstermin am Sonntagvormittag im Café Sybille an der Berliner Karl-Marx-Allee, will das Parteivolk mehr wissen.

Parteivize Diether Dehm hat eingeladen, was insofern pikant ist, weil Dehm zu denjenigen gehört, die überhaupt Anlass für die Führungskrise der PDS gegeben haben. Entnervt von Affären und Intrigen, hat Gregor Gysi den aus der SPD zur PDS gewechselten Genossen erst vor wenigen Tagen einen Scharlatan genannt, der sich und die Partei zunehmend der Lächerlichkeit preisgebe. Der Hesse Dehm tritt auf als Moderator seines Frühschoppens „Zum roten Bock“. Wenigstens Apfelwein versucht er seinen Gästen nicht mehr aufzudrängen. Den Termin mit Bisky hat Dehm schon vor Wochen festgemacht. Die Einladung schickte er aber erst an dem Tag heraus, an dem Zimmer ihren Rückzug aus der Führung ankündigte. Dehm begrüßt „keine graue Eminenz, sondern einen roten Freund“.

Die vorwiegend älteren Gäste haben die Stühle an den Caféhaustischen schon eine halbe Stunde vor Beginn eingenommen. Bisky muss sich erst warm reden, spricht zunächst über seinen Lebensplan, vom kommenden Wintersemester an Vorlesungen an der Potsdamer Filmhochschule zu halten. „Das will ich machen, wollte ich“, sagt er – um dann überzuleiten zu den Nöten der PDS. „Wir haben es versäumt, die Sorgen der Leute so auf den Punkt zu bringen, dass keiner mehr daran vorbeikommt“, sagt er. Und fügt hinzu: „Da brauchen wir 1000 Fühler.“ Erst jetzt gibt es so richtig Applaus. Klares Profil brauche die Partei, „damit wir nicht im Wischi-Waschi untergehen“, fügt Bisky hinzu. Er sagt nicht, dass er kandidiert. Aber er findet offenbar Gefallen daran, dass seine Zuhörer durchaus die Wahlrede eines künftigen Parteivorsitzenden heraushören. Ausgerechnet Bisky, der seinen Genossen stets Realitätssinn statt Ideologie verordnen wollte, fügt hinzu: „Die Realpolitik frisst uns auf. Damit kriegen wir die jungen Leute nicht.“

Dehm gefällt die Inszenierung, seine Inszenierung. Er könne Bisky „nur zustimmen von A bis Z“, sagt der Mann, der Gabi Zimmer erst im vergangenen Oktober auf dem Geraer Parteitag zur Wiederwahl verholfen hat. Jetzt hat sich der Wind gedreht. Dehm erinnert nun mehrfach daran, dass er mit Bisky schon im Sommerurlaub in Italien gewesen ist. Nie habe er einem Vorsitzenden so „produktiv und schöpferisch“ dienen können, wie es in der Amtszeit Biskys der Fall war. Ob Dehm tatsächlich, wie von Gysi und anderen gefordert, auf dem Sonderparteitag Ende Juni abgewählt wird? „Ich weiß das alles gar nicht“, sagt der Parteivize. Und appelliert, dass doch „in dieser strittigen Zeit“ der Grundkonsens in der PDS nicht verloren gehen dürfe. Das lässt sich auch so verstehen: Dehm wenigstens ist es ziemlich egal, wer unter ihm PDS-Vorsitzender ist.

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