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Politik: Die rebellierende Jugend bleibt außen vor

In Jemen bestimmen Saudi-Arabien und die Stämme die politische Zukunft

Berlin – Die jemenitische Jugend, die mit ihren Massenprotesten die Macht von Präsident Ali Abdullah Saleh zumindest ins Wanken gebracht hatte, wird bei einer politischen Neuregelung das Nachsehen haben. Darin sind sich die meisten Beobachter und Analysten einig. „Ihre Bewegung wurde von den Stämmen gekidnappt, als Präsident Saleh kein Geld mehr hatte, deren Loyalität zu kaufen“, meint Khaled Fattah, ein Jemen-Experte, der die EU in Jemen beraten hat und derzeit an der schwedischen Universität Lund lehrt. Die Protestbewegung habe sich hauptsächlich aus jungen Jemeniten aus Zentral- und Südjemen zusammengesetzt, wo das Bildungsniveau höher ist und im Gegensatz zum Norden eine Mittelklasse existiere. Ihr Verdienst sei, eine moderne soziale Bewegung in einem politisch von Stammesloyalitäten geprägten Land geschaffen zu haben. „Aber das wird erst mittelfristig Auswirkungen haben, die nahe politische Zukunft wird vom Stamm der Hashid, die Präsident Saleh militärisch die Stirn geboten hatten, und Saudi-Arabien bestimmt werden“, meint Fattah.

Mit der Rückkehr Präsident Salehs, der schwer verletzt in Riad im Krankenhaus liegt, rechnet Fattah nicht. „Die Saudis werden dies verhindern, denn seine Rückkehr würde ein Wiederaufflammen der Kämpfe bedeuten“, ist sich Fattah sicher. Und das wäre ein Albtraum für Riad, das eine 1500 km lange Grenze zu Jemen hat und Waffenschmuggel und Einsickern von Extremisten fürchtet. Saudi-Arabien zieht traditionell die Fäden mit im armen Nachbarland, allerdings ist die Außenpolitik auf eine reine Sicherheitspolitik beschränkt. Jahrzehntelang war Kronprinz Sultan, der Verteidigungsminister, zuständig, der dank einer Kasse von bis zu 3,5 Milliarden Dollar jährlich ein Patronagesystem in Jemen aufgebaut hatte.

Ein langes Interview in der saudisch finanzierten Tageszeitung „Al Hayat“ mit dem abtrünnigen General Ali Mohsen, der sich mit seinen Armeeeinheiten auf die Seite der Demonstranten geschlagen hatte und zum Stamme der Hashid gehört, deutet nach Ansicht von Guido Steinberg darauf hin, dass Riad den General gern als neuen starken Mann in Jemen etablieren würde. „Ich halte Mohsen allerdings für zu schwach, um die Führung zu übernehmen“, sagt der Arabien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Das alternative Szenario wäre eine Art Pattsituation, die der Jemen über eine lange Zeit aushalten würde, ist sich Steinberg sicher. Die Jugendbewegung spielt auch seiner Ansicht nach in keinem Szenario eine Rolle. Er sieht die Gefahr, dass die Südbewegung, die eine Abtrennung des ehemals sozialistischen Südens vom tribalen Norden wünscht, gestärkt wird und es eventuell zu einer erneuten Teilung des erst 1990 wiedervereinigten Landes kommen könnte.

Um das zu verhindern, wird Saudi-Arabien darauf drängen, eine Art föderales System zu schaffen, glaubt Khaled Fattah. Außerdem werde das Land Druck auf den Sohn und die Neffen Salehs ausüben, die die Sicherheitsdienste führen, das politische Lager der Stämme nicht zu bekämpfen. Fattahs Prognose: baldige Parlamentswahlen, die immer dazu gut sind, Druck für grundlegende Änderungen aus dem Kessel zu nehmen.

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