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Politik: Die Regierung lud zum "Pressebrunch" - keine Animositäten, dafür gegenseitige Lobeshymnen

Über Brandenburg ist oft kritisches zu hören, über Hemmnisse und Hürden zum Beispiel. Aber manches läuft hier auch unkomplizierter ab als anderswo.

Über Brandenburg ist oft kritisches zu hören, über Hemmnisse und Hürden zum Beispiel. Aber manches läuft hier auch unkomplizierter ab als anderswo. Zum Beispiel gestern: Nach den ersten 100 Tagen lädt die rot-schwarze Landesregierung - wie es die Vorgänger-Kabinette schon taten - zum "Pressebrunch" ein, diesmal aus Kostengründen nicht in ein Restaurant, sondern in die Staatskanzlei. Das kleine Buffet kommt, weil gespart werden muss, aus der Regierungskantine. "Es war schon mal üppiger", kommentiert Ministerpräsident Manfred Stolpe, als er 30 Minuten vor Beginn der Veranstaltung vorsorglich die im Foyer aufgebauten Häppchen inspiziert. Bald darauf erscheinen auch Jörg Schönbohm und die restlichen Minister. An jedem Tisch sitzt ein Kabinettsmitglied, die Journalisten wechseln zu zwanglosen Gesprächen von Tisch zu Tisch. "Es geht ums Klima", sagt Regierungssprecher Erhard Thomas. Aber nicht nur: An den Tischen wird auch über "heiße Themen" gesprochen, so macht Schönbohm aus seinem Ärger über Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre keinen Hehl.

Aber vorher äußern sich der Regierungschef und sein Stellvertreter noch ganz "offiziell" zu 100 Tagen Rot-Schwarz. Manche hätten prophezeit, dass die Koalition 100 Tage nicht überstehen werde, so Stolpe. Er sei sehr erleichtert: Beide Seiten gingen unideologisch heran, weil sie für das Land etwas erreichen wollten. Außerdem habe man ein System der präventiven Problem-Beratung entwickelt. Gemeint sind die regelmäßigen Vier-Augen-Gespräche, die er mit Schönbohm führt. Nach anderthalb Stunden ziehen sich beide als erste zum üblichen Tête-à-Tête vor der diensttäglichen Kabinettssitzung in Stolpes Arbeitszimmer zurück. Vorher verrät Stolpe aber noch beim trauten Tisch-Gespräch, wie er denn wirklich die "Haltbarkeit" der Koalition einschätzt: "Der Kitt reicht sicher für 1000 Tage." Zum Ende der Legislatur könnte es brenzlig werden, weil sich die Parteien vor der Wahl profilieren müssten.

Die Sorge ums eigene Profil plagt SPD und CDU allerdings schon jetzt, was auch daran zu erkennen ist, dass Stolpe und Schönbohm in ihren offiziellen Statements auf dieses Problem eingehen. Im Moment ist die Lage noch so, dass die eine Seite misstrauisch reagiert, sobald die andere eigene Gedanken äußert. Deshalb halten sich beide Seiten auch zurück, ihre Positionen verschwimmen. Stolpe kommentiert das so: "Wir sind in einem Lernprozess und müssen uns darin üben, unterschiedliche Positionen zu ertragen." Toleranz und nicht Uniformität sei gefragt. Schönbohm verspricht: "Keine Sorge, wir werden nicht in Konsenssoße untergehen." Abwarten. Bei den Tisch-Gesprächen übertrifft man sich in gegenseitigen Lobeshymnen. Man mag sich, keine Animositäten. Justizminister Kurt Schelter zum Beispiel ist überrascht, "wie leicht es in der Koalition geht". Als Innen-Staatssekretär in Bonn habe er andere Erfahrungen gemacht. Und Stolpe ist glücklich, dass er das "Talent" Schönbohm an seiner Seite hat: Der sei ähnlich wie Regine Hildebrandt und spiele den populistischen Part. So ändern sich die Zeiten.

Michael Mara

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