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Politik: Die Russen nützen nicht viel, sie schaden aber auch nicht groß (Kommentar)

In Orahovac scheinen die Fronten festgefahren. Die albanischen Bewohner der Kleinstadt wollen die russischen Friedenstruppen nicht.

In Orahovac scheinen die Fronten festgefahren. Die albanischen Bewohner der Kleinstadt wollen die russischen Friedenstruppen nicht. Entschlossen riegeln sie seit Wochenbeginn alle Zufahrtsstraßen ab. Ismet Tara, der lokale Kommandant der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), spricht lautstark vom spontanen Protest der Bevölkerung. Doch die Aktion ist durchaus orchestriert und koordiniert.

Es geht dabei nicht nur um Orahovac, sondern darum, wer im Kosovo das Sagen hat. Die UCK stellt das Kommando der Kosovo-Friedenstruppe auf die Probe. In Orahovac wollen die Hardliner der Rebellenarmee ein Exempel statuieren. Die Nato-Truppe ist dabei in einer schwierigen Situation: Das Kfor-Kommando in Pristina wird sich schwer tun, die Soldaten aus Russland gegen den Willen der Bevölkerung in Orahovac zu stationieren. Friedenssicherung gegen die Bewohner hätte auch keinen Sinn. Doch wenn die Stationierung in Orahovac nicht gelingt, könnten in einer Kettenreaktion andere Städte folgen. Die Albaner im geteilten Mitrovica zum Beispiel dürften dann anstelle der dort unpopulären Friedenssoldaten aus Frankreich solche aus Deutschland oder Großbritannien anfordern.

Ein Teil des Problems liegt darin, dass im Kosovo wie schon in Bosnien nationale Streitkräfte in einer Schutztruppe nebeneinander und nur wenig miteinander im Einsatz sind. Die Kfor ist nur dem Namen nach multinational. Von Integration ist, wenn es um Friedenseinsätze geht, wenig zu spüren. Deutsche, Briten, Franzosen, Italiener oder Amerikaner arbeiten für sich. Sie haben den Kosovo in nationale Sektoren aufgeteilt und in jeder Zone agiert man anders.

Die Männer aus Russland sind allerdings nirgends im Kosovo beliebt. Doch in Orahovac sind sie bei den Kosovaren besonders unbeliebt. Rund um die Stadt liegen mehrere Massengräber. Dort werden die Leichen von mindestens hundert Bewohnern vermutet. Einige seien von Söldnern aus Russland getötet worden, schildern Einwohner der Stadt überzeugend. Russe ist da gleich Russe, auch wenn die Friedenssoldaten von heute mit den Söldnern von damals nichts zu tun haben.

Die bedrängten Serben von Orahovac und Umgebung erwarten die Russen nicht gerade als Retter in der Not. Man fühlt sich von den Deutschen beziehungsweise Niederländern durchaus besser geschützt. Und die meisten im Viertel der Serben möchten ohnehin weg. Die Russen sind dort, wo sie im Kosovo schon präsent sind, also keine große Hilfe. Sie müssen sich im feindlichen Umfeld verbarrikadieren und einen Großteil der Zeit damit verbringen, sich selber zu schützen.

Das britische oder das deutsche Kontingent tun dagegen weitaus mehr, als Frieden sichern. Diese Soldaten sind Helfer in allen Lagen und übernehmen nicht selten vorübergehend die Arbeit von Hilfswerken. Den Russen fehlen dazu sowohl die Ausbildung als auch die Mittel. Die Russen nützen nicht viel, sie schaden aber auch nicht groß. Ihre Präsenz ist einfach der Preis, den die internationale Gemeinschaft zahlen musste, um Moskau "ins Boot zu holen".

Erst als er sich völlig isoliert sah, gab Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic im Juni nach und zog seine Einheiten aus dem Kosovo ab. Ohne Russland an Bord hätte die Nato die Luftangriffe noch länger fortsetzen müssen, und am Ende wäre möglicherweise ein noch verheerenderer Bodenkrieg nötig gewesen. Der Führung der Kosovaren fehlt die politische Reife, dies zu erkennen. Sie würde gut daran tun, sich von der Rhetorik zu verabschieden und die Energie auf den Wiederaufbau zu lenken.

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