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Politik: "Die Sanktionen helfen Milosevic" - Zoran Djindjic über die künftigen Ziele der "Allianz für den Wechsel"

Zoran Djindjic ist einer der führenden Opppositionspolitiker Serbiens. Er ist Chef der Demokratischen Partei (DS) und Mitbegründer der "Allianz für den Wechsel".

Zoran Djindjic ist einer der führenden Opppositionspolitiker Serbiens. Er ist Chef der Demokratischen Partei (DS) und Mitbegründer der "Allianz für den Wechsel". Nach dem Wahlsieg der Opposition bei den Lokalwahlen im November 1996 amtierte Djindjic für wenige Mnate als Bürgermeister von Belgrad. Die Milosevic-Sozialisten konnten den Jung-Bürgermeister nach kurzer Zeit mit Hilfe des Djindjic-Rivalen Vuk Draskovic wieder aus dem Rathaus vertreiben. Mit dem Politiker sprach Stephan Israel.

Serbiens Opposition will erstmals mit einem gemeinsamen Aktionsplan das Regime zu vorgezogenen Neuwahlen zwingen. Wie lange wird die neue Einigkeit andauern?

Ich erwarte, dass die Einigung hält. Sonst wäre das kontraproduktiv. Die Erwartungen der Menschen sind hoch. Wenn wir sie wieder enttäuschen, werden wir noch schlechter dastehen. Und ich habe den Eindruck, dass alle Teilnehmer das verstanden haben. Es war eine risikoreiche Entscheidung, aber sie war notwendig, weil die Menschen der zerstrittenen Opposition müde sind.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Milosevic der Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen nachgibt?

Das ist eine Frage der Kräfteverhältnisse. Reine Forderungen haben Milosevic nie beeindruckt. Wenn es uns gelingt, im März die Menschen wieder auf die Straße zu bringen und Druck auszuüben, dann können wir etwas erwarten. Die Lokal- und Bundeswahlen sind bis zum Herbst sowieso fällig. Ob wir auch nationale Wahlen erzwingen können, ist eine offene Frage. Aber versuchen müssen wir es auf jeden Fall. Ich rechne mit Verbesserungen bei den Wahlbedingungen, dass Milosevic eine Kontrolle in den Wahllokalen und bei der Auszählung erlaubt. Das müssten wir mit Druck erreichen können.

Ihre "Allianz für den Wechsel" hat ursprünglich an erster Stelle den Rücktritt von Präsident Milosevic gefordert. Weshalb wurde im gemeinsamen Aktionsplan der Opposition diese Forderung fallen gelassen?

Wir haben keine genügende Unterstützung vor allem in Belgrad für diese Forderung bekommen. Jede Forderung wird realistisch, wenn 100 000 Menschen 20 Tage lang in Belgrad auf die Straße gehen. Wenn wir das im Jahr 2000 schaffen, werden wir direkt von der Forderung nach Wahlen zur Forderung nach dem Rücktritt von Milosevic übergehen. Es ist kein Problem, wenn wir die Kraft haben. Es ist unser Ziel, Milosevic loszuwerden. Alle wissen das, und er weiß es auch. Nicht Wahlen, nicht Prozente und Mandate in Parlamenten sind das Ziel, sondern sein Rücktritt. Nur müssen wir das Ziel realistisch formulieren. 1999 sah es aus, als wäre die Stimmung gut für dieses Ziel. Leider ist es nicht geschehen. Jetzt beginnen wir mit einem realistischen Ziel. Aber wenn wir unterwegs sehen, dass die Menschen bereit sind, stärker Druck zu machen, können wir auch das Ziel neu formulieren.

Bisher hieß es, mit Milosevic wären freie Wahlen nicht möglich.

Das stimmt. Wenn Milosevic im Amt bleibt, werden wir keine freien Wahlen haben. Nur ist die Frage, wie stark sind wir als Opposition. Können wir soviel Druck erzeugen, dass er zurücktreten muss, oder müssen wir uns mit relativ freien Wahlen zufrieden geben? Im zweiten Fall müssen wir hoffen, dass wir auch mit Milosevic im Amt Fortschritte machen und ihn vielleicht schwächen können. Dieses Jahr wird viel schwieriger sein als alle vorherigen. Milosevic kämpft jetzt um sein politisches Überleben. Er kämpft nicht nur um sein Amt, sondern um seine Zukunft.

Immer wieder wurde der Kollaps des Regimes prognostiziert. Aber derzeit scheint Milosevic fester denn je im Sattel zu sitzen.

Wir haben eine innere Okkupation. Milosevic beherrscht alles, was in Serbien Bedeutung hat. Er kontrolliert die Medien, den Staatsapparat und vergibt Arbeitsplätze. Und er hat eine Scheinrealität aufgebaut. Solange diese virtuelle Wirklichkeit hält, sieht alles stabil aus. Wenn diese Fassade zusammmenbricht, wird jeder sagen, das musste zusammenbrechen, und es war ein Wunder, dass es solange gedauert hat. Es ist schwierig zu sagen, wann dieser Zusammenbruch kommen wird. Doch niemand würde heute behaupten, dass das Regime stabil ist. Die Macht von Milosevic war noch nie so unstabil in diesen zwölf Jahren. Aber sie ist noch immer stabil genug, um die Scheinrealität aufrecht zu erhalten.

In ihrem Aktionsplan fordert die Opposition von der internationalen Gemeinschaft die Aufhebung der Sanktionen gegen Serbien.

Die Sanktionen erleichtern es Milosevic, diesen mentalen Notstand im Lande zu festigen. Er will, dass das Land isoliert ist. Wir leben heute tatsächlich in der Isolation, und wir werden von außen zusätzlich isoliert. Die Menschen reisen weniger, sie lesen weniger ausländische Literatur, sie kommunizieren weniger. Das Land ist wie unter Quarantäne. Das erleichtert die Machtausübung. Es ist leichter, über ein Gefängnis autoritär zu regieren, als auf freiem Feld. Serbien ist ein Gefängnis geworden. Dazu tragen auch die Sanktionen bei, da es schwieriger ist, Kontakt mit dem Ausland zu halten.

Aber würde eine Aufhebung des Embargos nicht Milosevic stärken?

Wir sehen in der Aufhebung eines Teils der Sanktionen keine Stärkung von Milosevic. Wir erhoffen uns davon im Gegenteil eine Entlastung für das Land und dadurch mehr Spielraum für die demokratische Opposition. Die Sanktionen gegen den Luftverkehr oder gegen den Energieimport machen keinen Sinn. Wir haben genügend Benzin und Diesel auf dem Schwarzmarkt. Das Volk muss nur mehr Geld dafür bezahlen. Die Sanktionen haben Milosevic nicht daran gehindert, Treibstoff einzuführen. Er hat genug davon, und er schmuggelt das ohne Probleme. Die Bevölkerung bezahlt den Preis, während Milosevic und die Mafia sich bereichern. Wenn wir normal importieren, wäre das für Milosevic keine Erleichterung.

In Kroatien hat die Bevölkerung an der Urne die Wende geschafft und demokratische Kräfte an die Macht gebracht. Versprechen Sie sich davon Signalwirkung für Serbien?

Das ist für uns erfreulich. Wir sehen eine Logik in unserer Umgebung. Mazedonien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und jetzt auch Kroatien haben demokratische Regierungen. Nur Serbien nicht. Wir sind als einziges Land in dieser Region ohne demokratische Regierung geblieben. Es ist für uns wichtig, sagen zu können, dass selbst die Kroaten es geschafft haben, sich von der Diktatur zu trennen. Wer in Serbien Staatsfernsehen schaut, hat das aber vielleicht gar nicht erfahren. Nur für die zehn bis 15 Prozent, die Zeitungen lesen, ist das ein Ansporn.

Serbiens Opposition will erstmals mit einem gemein

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