zum Hauptinhalt

Politik: Die Scharia spaltet Nigeria

Mohammed Ibrahim versteht die Aufregung nicht. "Natürlich, der Richter von Sokoto hat richtig entschieden", sagt der Manager eines Touristen-Camps in Kano, im Norden Nigerias.

Mohammed Ibrahim versteht die Aufregung nicht. "Natürlich, der Richter von Sokoto hat richtig entschieden", sagt der Manager eines Touristen-Camps in Kano, im Norden Nigerias. Am Montag wird ein Berufungsgericht über den Fall der 35-jährigen Safiya Husaini entscheiden. Die Frau soll gesteinigt werden, weil sie geschieden ist und trotzdem ein Baby bekam. Sie habe keinen legalen Ehemann gehabt, das sei nach islamischem Strafrecht eben zu bestrafen. Und der Vater des Kindes? Nun ja, gegen den habe man ja keine Beweise. Die Scharia habe Kano nur Gutes gebracht, ergänzt Gastronom Ibrahim, die Prostitution sei ebenso rückläufig wie bewaffnete Raubüberfälle.

Zamfara, Sokoto und Kano heißen die nigerianischen Bundesstaaten mit eindeutiger Machtdominanz der Moslems, und hier leben auch die Hardliner. Dieser Tage hatte sich der Justizminister in Nigerias Bundesregierung, Kanu Agabi, erstmals eindeutig gegen die Scharia in den nördlichen Bundesstaaten ausgesprochen, denn sie verstoße gegen die Verfassung, da sie beispielsweise das Gleichheitsgebot missachte und nur auf Moslems angewandt werde. Sofort haben moslemische Würdenträger im Norden mit scharfen Worten reagiert, allen voran der "Erfinder" der Scharia in Nigeria, Gouverneur Ahmed Sani von Zamfara, der in der Zeit der Militärdiktatur von Sani Abacha eine Bilderbuchkarriere machte.

Gouverneur Sani, im islamischen Gewand auftretend, behauptet jetzt, der Justizminister habe sein Verdikt nur wegen der vielen Protestbriefe "aus der westlichen Welt" ausgesprochen. Aber christliche Argumente reichten nicht aus, "um die Illegalität der Scharia" zu erklären. Der einflussreiche Korangelehrte Ahmad Murtala aus Kano übte noch härtere Kritik: Nigerias Bundesregierung wolle nur die Scharia zerstören, es handele sich um religiöse Verfolgung. Murtala warnte die Bundesregierung im fernen Abuja, der Hauptstadt im Süden: "Der Friede und die Einheit Nigerias hängen davon ab, dass die Muslime ihre Religion so ausüben können, wie Gott es ihnen befiehlt."

Befürworter der Scharia äußern vor allem Kritik am Westen und seiner Einmischung: Der Westen wolle islamischen Ländern seinen "Willen" aufzwingen, schreibt der Nigerianer Ali Muthar in einer Hörerumfrage per E-Mail an den britischen Sender BBC.

Längst gehen Tausende Risse durch die nigerianische Gesellschaft mit ihren 350 Ethnien, seit gut zwei Jahren ist der Spalt zwischen Befürwortern und Gegnern der Scharia nur ein weiterer. Die drohende Steinigung empört den christlichen Süden über alle Maße. Er habe sich nie geschämt, ein Nigerianer zu sein, schreibt der Journalist Babwole Akin-Aina in der nigerianischen Tageszeitung "Guardian", "aber wenn in unserem Land eine Frau wie ein Hund erschlagen wird, dann sind wir auch nicht besser als die Tiere". Beim Sender BBC meldeten sich zig entsetzte Exil-Nigerianer, die empört über den "Rückschritt" ins Mittelalter waren. Ein Hauptargument war, dass seit drei Jahrzehnten in Nigeria die politische und korrupte Elite aus dem Norden rekrutiert werde, doch dass diese "Diebe" es nie verstanden hätten, den verarmten und von Feudalismus geprägten Landesteil auch zu entwickeln. Jetzt solle die Scharia gut dafür sein, die arbeitslosen Massen abzulenken und den Status quo zu erhalten.

Immer mehr Stimmen raten dazu, dass die Bundesregierung härter in den nördlichen Provinzen auftreten muss. "Im Notfall muss die Bundesregierung eingreifen, um die Verletzung von Menschenrechten durch die Scharia zu verhindern", meint der Verfassungsrechtler Deob Akande in Abuja. Die Eingriffsmittel sind jedermann in Nigeria bekannt, sie sind aber auch gefürchtet: die Nationalarmee sowie die schwarzuniformierte und bestens gerüstete Bundespolizei, die auch im Norden Kasernen hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false