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Politik: Die Schlacht von Bern

Der Wahlkampf in der Schweiz ist ungewöhnlich hart – nun greifen auch gewalttätige Autonome ein

Die Schweiz steht unter Schock: Mehrere hundert Autonome vom äußersten linken Rand haben am Samstag Teile der Innenstadt in Bern verwüstet: brennende Barrikaden, zerstörte Autos, verheerte Restaurants. Ein Wahlkampfauftritt des nationalkonservativen Justizministers Christoph Blocher auf dem zentralen Bundesplatz fiel den Randalierern zum Opfer. Sie blockierten den Zugang und vernichteten die gesamte Ausrüstung, die Blochers Schweizerische Volkspartei (SVP) für den Auftritt errichtet hatte. Die Randalierer überrumpelten die Polizei, lieferten sich mit den Ordnungshütern eine massive Straßenschlacht.

Der Berner Polizeidirektor Stephan Hügli sprach sichtlich irritiert „von einem schwarzen Tag für die Demokratie und die Meinungsäußerungsfreiheit“. Die „Schlacht von Bern“ markiert auch eine Premiere in der friedfertigen Schweiz: Noch nie musste eine politische Kundgebung wegen Protesten abgesagt werden. Und die Gewalt bildet den Höhepunkt eines Wahlkampfes, den die Parteien mit ungewöhnlicher Härte führen. Am 21. Oktober gehen die Eidgenossen zu den Urnen.

Blocher reagierte auf den Zwischenfall mit kühler Kalkulation. Der Justizminister und sein Tross wichen zum Berner Bärengraben aus. Dort ließ sich der Volkstribun von rund 10 000 Anhängern seiner nationalkonservativen Partei bejubeln. Blocher sagte: Die Ausschreitungen der Linken gegen einen friedlichen Auftritt seiner Partei zeigen klar, „wo jene sind, die das freie Wort nicht ertragen“. Der SVP-Parteichef Ueli Maurer geißelte die „Chaoten“. Es sei ein Skandal, dass die Randalierer die „größte Partei der Schweiz daran hindern können, ihre Meinung frei zu äußern“. Auch linke Politiker und die Medien des Landes empörten sich. Der „Sonntagsblick“ fand nur ein Wort: „Beschämend“.

Die Schweizer Außenministerin, die Sozialdemokratin und amtierende Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (62), sprach in einem Interview mit der Zeitung von schwierigen Zeiten, die die Schweiz durchlebe, „weil die Entwicklung des modernen Lebens viele isoliert und verunsichert“. Dadurch entstünden Spannungen, und die Konfrontationen würden schärfer. Sie hatte im Wahlkampf die SVP als die am wenigsten schweizerische Partei bezeichnet.

Am Pranger steht jetzt auch die Polizei. Wieso reagierten die Sicherheitskräfte so hilflos auf die Gewaltorgie? Warum konnten die Ordnungshüter die Täter nicht abfangen? Kritiker betonen, die Polizei hätte gewarnt sein müssen. Das Komitee „Schwarzes Schaf“ hatte für Samstag zu einer Anti-SVP-Kundgebung aufgerufen: „SVP nicht willkommen – ganz fest gegen Rassismus“. Die Behörden bewilligten das Treffen nicht, tolerierten es aber. Tatsächlich verlief die Kundgebung friedlich. Nach Medienberichten lösten sich aus der Veranstaltung der Linken jedoch gewaltbereite Extremisten. Diese Personen sollen die Urheber der schweren gewalttätigen Ausschreitungen sein. Die Polizei beteuerte, sie habe ihr „Minimalziel“ erreicht: Eine direkte Konfrontation der Linksautonomen und der Anhänger der Schweizerischen Volkspartei fand nicht statt.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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