zum Hauptinhalt
Seit März ist der Anführer der Terrormiliz Boko Haram nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Nachdem der Präsident des Tschad Mitte August behauptet hatte, er sei abgesetzt worden, meldete er sich am vergangenen Sonntag mit einer Tonaufnahme zurück.

© AFP

Die Sicherheitskrise im Nordosten Nigerias: Präsident Buhari verspricht den Sieg in drei Monaten

Seit Mai regiert Nigerias neuer Präsident nun schon. Aber erst im September will er ein Kabinett benennen. Derweil sucht er im Kampf mit der Islamistenmiliz Boko Haram die Entscheidung.

Es hat eine Woche gedauert, bis die Nachricht von einem weiteren Angriff auf ein Dorf im Nordosten Nigerias in der nigerianischen Öffentlichkeit angekommen war. Seit Dienstag streiten sich Augenzeugen und Militärsprecher über den Vorfall. Dorfbewohner sprechen von bis zu 150 Toten nach einem Angriff auf Kukuwa im Bundesstaat Yobe, etwa 50 Kilometer von der Landeshauptstadt Daimaturu entfernt. Das Militär bestreitet diese hohe Opferzahl. Wer auch immer Recht haben mag. Die Nachricht zeigt vor allem eines: Der Aufstand der islamistischen Terrormiliz Boko Haram ist noch nicht zu Ende. Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Muhammadu Buhari im Mai sind rund 1000 Menschen dem Terror zum Opfer gefallen.

Augenzeugen haben der Nachrichtenagentur AFP berichtet, dass mutmaßliche Boko-Haram-Kämpfer auf Motorrädern zur Zeit des Abendgebets ins Dorf eingerückt seien. Viele Frauen und Kinder seien verfolgt von schießenden Terroristen in Richtung Fluss geflüchtet. Der nach heftigen Regenfällen reißende Strom habe Dutzende Menschen mitgerissen. Von rund 50 erschossenen Dorfbewohnern und knapp 100 Ertrunkenen ist die Rede. Die Armee dagegen bestreitet die Zahlen ebenso wie ein Polizeisprecher aus Yobe. Allerdings hat das Militär schon oft Angriffe von Boko Haram herunterzuspielen versucht. Am Mittwoch veröffentlichte die Armee dann Informationen über Gefechte mit Boko-Haram-Kämpfern in ihrem Versteck im Sambisa-Wald im benachbarten Bundesstaat Borno.

Der 72-jährige Präsident Muhammadu Buhari impft seine drei Monate alte Enkeltochter Zuleiha gegen Polio. Erst im September will der seit Mai amtierende Präsident eine Regierung benennen.
Der 72-jährige Präsident Muhammadu Buhari impft seine drei Monate alte Enkeltochter Zuleiha gegen Polio. Erst im September will der seit Mai amtierende Präsident eine Regierung benennen.

© dpa

Nachdem Boko Haram Anfang des Jahres ein Gebiet von der Größe Belgiens beherrscht hatte, hat die nigerianische Armee mitten im Präsidentschaftswahlkampf eine Militäroffensive gestartet. Unterstützt von Truppen aus den Nachbarländern Tschad, Niger, Kamerun und Söldnern aus Südafrika hat die Armee dabei die Terroristen offenbar deutlich geschwächt. Inzwischen hat die Armee die Stadt Gwoza, die Boko Haram zum Zentrum ihres „Kalifats“ erklärt hatte, zurückerobert. In den vergangenen Wochen hat die Armee im Sambisa-Forest Hunderte Frauen und Kinder aus der Gefangenschaft Boko Harams befreit.

Tatsächlich greifen die Milizionäre die Dörfer im Nordosten Nigerias, in Niger, im Tschad und in Kamerun nicht mehr mit gepanzerten Wagen oder gar Panzern an wie zu Beginn des Jahres. Die Angriffe der vergangenen Wochen haben mit Motorrädern, auf Pferderücken und sogar mit Fahrrädern stattgefunden. Außerdem hat Boko Haram Dutzende Frauen als Selbstmordattentäterinnen in die Städte geschickt.

1,6. Millionen Menschen sind auf der Flucht

Dennoch kann nicht die Rede davon sein, dass Boko Haram besiegt sei. Seit Mai 2011 sind nach einer Zählung des Nigeria Security Trackers des amerikanischen Think Tanks Council on Foreign Relations (CFR) rund 30 800 Menschen getötet worden, wobei Boko Haram demnach für den Tod von mehr als 13 500 Menschen direkt verantwortlich sei. 1,4 Millionen Menschen sind im Nordosten Nigerias intern vertrieben und können nicht nach Hause. Weitere knapp 200 000 Menschen sind in die Nachbarstaaten geflüchtet. Boko Haram hat Straßen, Brücken und Mobilfunkmasten zerstört. Der Nordosten Nigerias ist buchstäblich abgehängt.

Ist Abubakar Schekau immer noch der Chef von Boko Haram?

Mitte August behauptete Tschads Präsident Idriss Déby, der Anführer der Terrortruppe, Abubakar Schekau sei abgesetzt worden. Ersetzt habe ihn ein Mahamat Daoud, von dem in den eingschlägigen Sicherheitskreisen noch nie jemand gehört hatte. Am vergangenen Sonntag meldete sich Schekau allerdings mit einer Tonnachricht zurück und sagte: „Ich bin nicht tot.“ Nach Einschätzung der meisten Sicherheitsexperten ist da Band echt. Ungewöhnlich ist zwar, dass der theatralische Schekau, der sich auf Vidoes immer besonders gefährlich inszeniert hatte, nun nur als Stimme in Erscheinung tritt. Doch auch der Boko-Haram-Kenner Fulan Nasrullah schreibt in seinem Blog: „Schekau ist am Leben, soweit ich weiß.“ Und weiter schreibt er: „Nach Angaben von Leuten, die viel Zeit mit Schekau verbracht haben, ist er ein heiterer Geselle, wenn er nicht die Massenmorde seiner Organisation überwacht.“ Nasrullah ist eine schillernde Figur. Er sei als Christ geboren aber zum Islam übergetreten, schreibt er in seiner Selbstbeschreibung. Im Übrigen sei er Salafist aber gehöre nicht selbst zu Boko Haram. Seine Informationen haben sich aber als plausibel genug erwiesen, dass ihn das königliche Afrikainstitut in London als Gastblogger eingeladen hat, seine Analysen zu verbreiten.

Buhari regiert seit Mai ohne Kabinett

Präsident Buhari hat vergangene Woche die Armee angewiesen, „Boko Haram in drei Monaten zu besiegen“. Ob das angesichts des seit 2009 andauernden Aufstands eine realistische Forderung ist? Aber Buhari will in den ersten Monaten seiner Regierungszeit beweisen, dass er es kann. Erst im September will Buhari ein Kabinett benennen. Bisher regiert er allein mit seinem Vizepräsidenten und den Staatssekretären in den Ministerien.

Der einflussreiche Blogger Japeth Omojuwa sagte dem Tagesspiegel, dass dies Buhari ermöglicht habe, „direkte Informationen in den Ministerien einzuholen“. Er hat einige als korrupt geltende Spitzenbeamte ausgetauscht und an die Spitze des staatlichen Ölkonzerns NNPC einem ehemaligen Exxon-Mobil-Manager gesetzt. Die neuen hätten alle „einen ausgezeichneten Ruf“, sagt Omojuwa. Alle wüssten:  Wer der Korruption überführt werde, verliere seinen Job. Die Nigerianer beobachten genau, was ihr Präsident da tut. Bisher sind sie damit zufrieden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false