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Politik: Die sollten doch nur spielen

Von Stefan Hermanns

Schlüpfen wir doch einmal kurz in den Körper von Dieter Hoeneß, schon sieht die Welt ganz anders aus: Was also soll heute anderes passieren, als dass Hertha BSC gegen Bielefeld gewinnt und damit bereits sechs Spieltage vor Schluss den Verbleib in der Fußball- Bundesliga sicherstellt? Kurz, aber heftig war der Abstiegskampf, der Geist und Beine lähmt, doch mit der ihr eigenen Entschlossenheit hat Herthas Mannschaft allen Schwierigkeiten erfolgreich getrotzt.

Was jedoch passiert, wenn Hertha auch heute, zum neunten Mal hintereinander, nicht gewinnt – davon wollen wir lieber nicht reden, solange wir noch in Hoeneß’ Körper stecken. Herthas Manager denkt aus Prinzip nur positiv, was mehr als verständlich ist, weil selbst ein Sieg gegen Bielefeld am dürftigen Gesamteindruck dieser Spielzeit wenig ändert. Am Ende der Saison wird Herthas Tabellenplatz wohl mit dem Bild übereinstimmen, das sich der Rest der Republik längst von diesem Klub gemacht hat. Es ist vornehmlich in Grautönen gehalten.

Vor gar nicht langer Zeit galt Hertha noch als das nächste große Ding im deutschen Fußball; inzwischen geht die Wahrnehmung außerhalb Berlins gegen null. Die Mannschaft steht für – nichts. Der Trainer, ein Sicherheitsfanatiker, ist außerstande, die Fantasie des Publikums zu beflügeln. Die einzige Figur, die der Verein vorweisen kann, bleibt daher Dieter Hoeneß, der Manager. Doch vielleicht ist das nicht nur Symptom, sondern auch Ursache für den Zustand des Klubs. Hertha ist zum lokalen Phänomen geschrumpft. Wenn überhaupt. Auf bestimmte Milieus in der Stadt übt der Klub nicht den geringsten Reiz aus. In den Fußballkneipen in Mitte und Prenzlauer Berg ist es nahezu unmöglich, an einem Bundesliga- Spieltag Hertha spielen zu sehen.

Doch Hertha schafft es nicht einmal, die Kernklientel dauerhaft zu mobilisieren. Für das Spiel gegen Bielefeld wurden Tribünenkarten für fünf Euro verscherbelt, wieder einmal. Der Berliner sei nun mal verwöhnt, heißt es, und angesichts der vielen Attraktionen überlege er sich eben zweimal, ob er sich ein mittelprächtiges Fußballspiel anschaue. Genau das ist das Problem: Als ob ein Kölner, Gladbacher oder Hamburger seinen Stadionbesuch von der zu erwartenden fußballerischen Qualität des Spiels abhängig machte.

Die Gewinnung neuer Zuschauer funktioniert bei Hertha ausschließlich über sportlichen Erfolg. Das ist für einen echten Fan nicht nur das Schlimmste, was sich überhaupt sagen lässt („Erfolgsfans“); es verheißt auch auf absehbare Zeit keine Besserung. Der Trend spricht gegen Hertha: Vor zwei Jahren verpasste die Mannschaft um ein Tor die Qualifikation für die Champions League, vor einem qualifizierte sie sich noch für den UI-Cup, im kommenden aber wird sie wohl überhaupt nicht im Europapokal vertreten sein. Und die Zeiten sind vorbei, in denen sich mit dem massiven Einsatz fremden Geldes eine wettbewerbsfähige Mannschaft aus dem Boden stampfen ließ. 45 Millionen Euro Schulden zwingen Hertha auf Jahre zur Bescheidenheit.

Der Verein verkauft dies als Kurs der Vernunft, in Wirklichkeit ist es die Folge alter Großmannssucht – da kann Dieter Hoeneß noch so oft auf die Kirch-Krise und den Umbau des Olympiastadions als Gründe für die finanzielle Misere verweisen. Vom Konkurs des Liga-Geldgebers Leo Kirch waren auch alle anderen Vereine betroffen, und die staatlich finanzierte Modernisierung des Olympiastadions hat die baustellenbedingten Zuschauereinbußen mehr als kompensiert. Es soll sogar Bundesligisten geben, die ihre neuen Stadien selbst bezahlt haben.

Kaum ein Verein wird von der öffentlichen Hand derart stark alimentiert wie der Hauptstadtklub Hertha BSC. Die Bahn, ein Staatsunternehmen, überweist als Trikotsponsor rund acht Millionen Euro pro Jahr, einen Betrag, der durch Herthas tatsächliche Bedeutung nicht im Geringsten gedeckt ist, allenfalls als Vorgriff auf eine bessere Zukunft zu verstehen ist. Als die neue Partnerschaft besiegelt war, hat Dieter Hoeneß gesagt: „Die Bahn und Hertha bewegen die Menschen.“

Bei beiden aber ist stets mit Verspätungen zu rechnen.

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