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Politik: Die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen versuchen verzweifelt, die Schlappe zu überwinden - sie hoffen auf eine höhere Beteiligung bei den Stichwahlen diesen Sonntag

Hatte der Kandidat bei diesem einen Satz gelächelt? "Tagsüber verbringe ich mehr Zeit mit Frau Lütkes als mit meiner Frau", hatte Harry Blum soeben einem Reporter anvertraut und seiner Konkurrentin dabei einen Blick zugeworfen.

Hatte der Kandidat bei diesem einen Satz gelächelt? "Tagsüber verbringe ich mehr Zeit mit Frau Lütkes als mit meiner Frau", hatte Harry Blum soeben einem Reporter anvertraut und seiner Konkurrentin dabei einen Blick zugeworfen. Seit zwei Wochen treffen sich die beiden Anwärter auf den Chefsessel im Kölner Rathaus zum Teil täglich mehrmals vor wechselndem Publikum und werben um die "lieben Wählerinnen und Wähler" in der Domstadt. Die eine oder andere Umfrage sieht den wegen seines Gardemaßes von einem Meter neunzig "schwarzer Riese" genannten Christdemokraten Harry Blum vorne. Anne Lütkes hebt die Hand: "Es wird verdammt knapp, so viel weiß ich." Sollte sie in Köln gewinnen, wäre sie die erste grüne Oberbürgermeisterin in einer deutschen Großstadt.

Immerhin haben sich die tief getroffenen Sozialdemokraten in den zurückliegenden Tagen dazu durchgerungen, ihren Sympatisanten die Wahl der grünen Vorzeigefrau anzuempfehlen. Vorausgegangen war ein heftiges parteiinternes Gerangel. In Köln gibt es unter den Genossen nicht wenige, die lieber einen Teil der Macht mit den beim ersten Wahlgang siegreichen Christdemokraten retten wollten. Für sie ist Anne Lütkes seit zehn Jahren eine außerordentlich störende politische Gegnerin, weil sie stets den Klüngel der Machthaber angeprangert hat - sowohl den roten wie den schwarzen Klüngel. Am Nachmittag des ersten Wahltages waren die Genossen noch mit ihr zusammengetroffen und hatten mit der Attitüde des Siegers versucht, ihr grüne Positionen für einen möglichen zweiten Wahlgang abzupressen. Sie unterbrach diese Gespräche und die Genossen mußten am Abend erleben, wie sie auf 30 Prozent abstürzten. Erst nachdem CDU und FDP vor wenigen Tagen ihre Koalition besiegelten, rauften sich Sozialdemokraten und Grüne zusammen, um einen Gegenentwurf zu präsentieren.

Damit wird die Wahl in Köln spannend. Im Rat besitzt bisher keine Gruppe die absolute Mehrheit, die entscheidende 48. Stimme wird der künftige Chef im Rathaus abgeben. Harry Blum wirbt für Sauberkeit in der Stadt. "Ich werde jeden Tag fünf Sozialhilfeempfänger neu einstellen, die Parks und Anlagen sauber halten", verkündet der ehemalige Makler, "denn Köln ist die dreckigste Großstadt in Deutschland". Während Blum eher polarisiert, spielt Anne Lütkes schon jetzt die Rolle einer Oberbürgermeisterin für alle Kölner: "Ich werde auf eine breite Mehrheit im Rat setzen."

In den meisten der 131 Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens, in denen es jetzt im zweiten Wahlgang um das Spitzenamt geht, versucht die SPD, die Wahlschlappe hinter sich zu lassen. "Wir besuchen die Menschen zu Hause", hat Landesparteichef Franz Müntefering als Parole ausgegeben und zieht in der Tat von Haus zu Haus. "Ihr müsst wählen gehen", ruft er immer wieder. Im Ruhrrevier sind noch die ehemaligen Hochburgen wie Gelsenkirchen und Bochum umkämpft, die Herzkammer der SPD, Dortmund, droht den Genossen verloren zu gehen. "Ich hoffe, wir können das Ding noch einmal drehen", spricht sich Müntefering selbst Mut zu, überzeugt ist er nicht. Sein Gegenspieler bei der CDU, Landeschef Jürgen Rüttgers, ist deutlich entspannter. "Wir wollen unseren Wahlsieg vervollständigen", gibt er den Christdemokraten auf den Weg.

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