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Politik: Die Spaltung droht

Schiiten, Kurden und Sunniten im Irak uneins über Verfassungsentwurf – Geberkonferenz in Jordanien

Andauernde Gewalt, Korruption und Misswirtschaft behindern die Entwicklung im Irak. Die Weichenstellungen der nächsten sechs bis zwölf Monate sind deshalb entscheidend für die Zukunft des Landes. Bis zum 15. August soll der Entwurf einer endgültigen Verfassung vorliegen, über die in einem Referendum am 15.Oktober abgestimmt werden soll. Mitte Dezember sollen Neuwahlen den Aufbau der zentralen politischen Institutionen besiegeln. Doch im parlamentarischen Komitee zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs prallen derzeit fast unüberbrückbare Vorstellungen aufeinander.

Die 15 sunnitischen Vertreter wollen an einer starken Zentralregierung festhalten und lehnen ein föderales System ab, weil sie ein Auseinanderbrechen des Landes befürchten. Außerdem fordern sie, dass der Irak im ersten Satz der Verfassung als „unabtrennbarer Teil der arabischen Nation“ verankert wird. Das lehnen insbesondere die Kurden ab. Kurdische und schiitische Vertreter haben damit gedroht, ihren Entwurf am 15. August vorzulegen, auch wenn keine Einigung mit den Sunniten erzielt wird. Damit wäre die Einheit des Iraks allerdings gefährdet. Kurden und Schiiten hatten aber extra 13 zusätzliche sunnitische Vertreter in das Komitee aufgenommen, um die Minderheit, die an den Wahlen nicht teilgenommen hatte, doch noch einzubinden.

Doch auch außerhalb des Komitees nehmen die Spannungen zwischen den drei Bevölkerungsgruppen zu. Die Ermordung von 25 Vertretern der schiitischen Geistlichkeit in Nadschaf und der jüngste Tanklaster-Anschlag auf schiitische Zivilisten in der Stadt Al Musajjib haben den Ruf nach schiitischen Bürgerwehren lauter werden lassen. Der schiitische Gouverneur von Basra rief die Arbeiter der Ölindustrie am Sonntag zu einem Generalstreik auf. Damit will er der Forderung, dass mehr Geld aus den Öleinnahmen im Süden verbleibt, Nachdruck verleihen. Er verweist auf die vorläufige Regelung, nach der die Kurden etwa ein Viertel der Öleinnahmen aus der Förderung in ihren Gebieten behalten dürfen.

Am Montag starben 15 Menschen im Irak bei Anschlägen, davon elf Polizisten und Soldaten. Während der Irak auseinander driftet, begann am Toten Meer eine Geberkonferenz zum Wiederaufbau des Landes. An die Vertreter von Vereinten Nationen, Weltbank und 60 Geberstaaten richtete Iraks Planungsminister Barham Saleh im jordanischen Schuneh einen dringenden Hilfsappell: „Die Lebensumstände der Iraker verbessern sich nicht, was zu Frustration und Hass führt und die Unsicherheit nährt.“ Nur eine schnelle Entwicklung des Landes könne den Zulauf für die Rebellen stoppen.

Bei der neuen Geberkonferenz geht es weniger darum, mehr Geld zu sammeln, sondern das schon Versprochene einzufordern. Den Anfang machte die Weltbank und sagte Irak erstmals seit 30 Jahren einen Kredit über 500 Millionen Euro zu. Von den 33 Milliarden Dollar, die bei der Vorgängerkonferenz in Madrid im Oktober 2003 zugesagt wurden, sind jedoch erst eine Milliarde freigegeben worden. Mit der Folge, dass sich die Elektrizitäts- und Wasserversorgung nur wenig verbessert hat. Statt großer Mega-Projekte sollten kleine, lokal verwaltete Elektrizitätsprojekte in Angriff genommen werden, die rasch eine Verbesserung der Lage bringen können, sagte Saleh.

Der ursprüngliche Ansatz der USA, die zusätzlich 18,4 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung stellten, sah vor, hauptsächlich amerikanische Großunternehmen zu beauftragen. Die wenig transparente Vergabe der Verträge leistete nicht nur der ausufernden Korruption Vorschub. Ausländische Firmen verwendeten auch bis zu 25 Prozent der Mittel zur Organisation ihrer eigenen Sicherheit – lokale Firmen veranschlagen deutlich weniger Geld für den eigenen Schutz. Außerdem stellte sich heraus, dass die Fertigstellung einiger großer Stromzentralen und Wasserwerke nur wenig Verbesserung brachte: Die verrotteten Strom- und Wasserleitungen behindern eine Verteilung der Ressourcen. Die Mega-Projekte sind zudem anfällig für Sabotageakte mit großer Flächenwirkung. Die USA haben ihre Vorgehensweise mittlerweile darauf ein- und ihre langfristigen Projekte zugunsten kleinerer Sofortmaßnahmen zurückgestellt.

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