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Politik: Die Spur der Rakete

Wie sich die Herkunft fehlgeleiteter Geschosse klären lässt

Über 50 Menschen verloren ihr Leben, mehr noch wurden verletzt und liegen im Krankenhaus. Was sich vor sechs Tagen, am Freitagabend vergangener Woche, auf einem belebten Marktplatz in der westlichen Vorstadt Schoarle von Bagdad abspielte, war die bislang schlimmste Tragödie für Zivilisten seit Kriegsbeginn. Sofort begannen die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Iraker erklärten, bei dem Geschoss habe es sich um eine Rakete gehandelt, die von einem US-Flugzeug abgefeuert worden sei. Der britische Außenminister Straw dagegen behauptete, ein veraltetes Luftabwehrgeschoss der Iraker habe die eigenen Leute getötet.

Auch in einem solchen Fall lässt sich wahrscheinlich aufklären, was wirklich passiert ist. Ein wichtiges Beweismittel sind Raketenreste am Boden, aus denen sich Rückschlüsse auf Typ und Herkunft ziehen lassen. Jedes Geschoss ist in einer zentralen Datenbank erfasst, Hersteller, Typ, Einsatzort und Einsatztag. Auch verfügen die alliierten Streitkräfte über genaue Daten ihrer Angriffsflüge und können feststellen, ob eines ihrer Flugzeuge zum fraglichen Zeitpunkt in der Gegend operiert hat. Als der Reporter des britischen „Independent“, Robert Fisk, am Samstagmorgen die Unglücksstelle besuchte, übergab ihm ein älterer Mann einen Metallrest, auf dem eine 16-stellige Codenummer zu lesen war. Nachforschungen der Zeitung ergaben, dass es sich wahrscheinlich um eine Harms-Rakete der amerikanischen Firma Raytheon handelte, die gegen Radarstellungen eingesetzt wird. Auch räumten amerikanische Militärs inzwischen ein, dass ein Jet des Flugzeugträgers „Kitty Hawk“ am Freitagabend über Bagdad im Einsatz war und mindestens eine Rakete dieses Typs verschossen hat.

Erfahrungen aus dem Kosovo-Krieg zeigen, dass vor allem dieser Raketentyp für folgenschwere Fehlschüsse verantwortlich war. Eine zerstörte sogar ein Wohnhaus in der bulgarischen Hauptstadt Sofia, eine andere schlug in einem Dorf ein und verletzte dort einen Bauern und seine Tochter schwer. Die Rakete kann vom Kurs abkommen, wenn das von ihr angepeilte Radarsignal während des Anflugs verschwindet. Die irakische Luftabwehr schaltet ihr Radar ständig aus und ein, um die Gefahr einer Ortung zu verringern. Ein Sprecher in Washington behauptete nun, irakische Militärs hätten das Raketenteil nachträglich an der Einschlagstelle platziert. Dies dürfte sich über die Datenbank der Streitkräfte schnell klären lassen. Noch ist die Untersuchung der Alliierten nicht abgeschlossen.

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