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Politik: Die Stimmen des Kanzlers

Der SPD-Sonderparteitag bekommt Schröders Reformpaket nur als Ganzes präsentiert – so will die Führung den Widerstand brechen

Montag ist Scholz-Tag im Willy-Brandt-Haus. Doch von all den Montagen, die Olaf Scholz schon als Generalsekretär seiner SPD wirkt, ist dies der bislang schwärzeste Montag. Da hatte er seiner Partei und der Öffentlichkeit seit Wochen eingeimpft, ein Sonderparteitag zur Reformagenda Gerhard Schröders sei grober Unfug, und außerdem sehne sich in der SPD niemand nach solch einem Genossentreffen. Doch an diesem Montag muss er einräumen, dass der Unfug plötzlich doch sinnvoll und seine Sensibilität für die Bedürfnisse der Partei durchaus optimierungswürdig ist. „Manchmal ist man in der Politik hinterher eben klüger als vorher“, sagt Scholz und versucht zu schmunzeln. Er bewältigt diesen schwarzen Montag überhaupt sehr tapfer.

Zunächst hört er seinen Parteichef in den Telefonhörer poltern. Das SPD-Präsidium beschließt den überraschenden Sonderparteitag per Telefonkonferenz. Doch vorher macht Gerhard Schröder seinem Ärger über eine ganze Genossenschar Luft: Zunächst schimpft er über die Inititatoren des ersten Mitgliederbegehrens der 140-jährigen SPD-Geschichte, mit dem prominente Dissidenten die Basis seit Freitag zum Boykott aufrufen. Dann über die Schleswig-Holsteiner, die auf ihrem Landesparteitag am Samstag nicht nur den Sonderparteitag gefordert, sondern auch noch ihren Landeschef Franz Thönnes geschasst hatten. Und dann bekamen auch jene Einzelgenossen einen Kanzlerrüffel, die mit einer Flut von Interviews über das Wochenende eine solche Anti-Reform-Dynamik erzeugt hatten, dass Schröder schließlich dem Sonderparteitag zustimmte. Der saarländische Möchtegern-Rebell Heiko Maas etwa war mit dem Satz aufgefallen: „Wenn die SPD nur noch Wurmfortsatz der Regierung ist, hat nicht nur die Partei ein Problem, sondern auch der Kanzler. Ohne sie ist er ein Kaiser ohne Kleider.“ Als energischer Reformkanzler hört man das nicht gern.

Gut in Nadelstreifen gekleidet, kann Olaf Scholz am Nachmittag vor der Presse verkünden, wie der Wurmfortsatz SPD nun seinen Willen bekommt und trotzdem Wurmfortsatz bleibt. Die Strategie der Führung für diesen Parteitag haben sie am Telefon schnell gefunden: Statt die Delegierten über jedes Detail der „Agenda 2010“ diskutieren und abstimmen zu lassen, soll es, so Scholz, „eine gewisse Zuspitzung“ geben. „Es geht auch um die Regierungsfähigkeit der SPD, über die da abgestimmt wird.“ Und eine Entscheidung über Kanzler Schröder selbst.

Auch wenn es keiner so sagen will: Geplant ist eine Abstimmung nach der Devise: wollt ihr mich behalten oder die Konservativen ins Kanzleramt lassen? Die Vertrauensfrage an die eigene Partei also. Deshalb soll das Reformpaket als Ganzes zur Abstimmung stehen, nicht einzelne Teile. „Es geht“, wie Scholz sagt, „um das Gesamtkonzept und nicht um Teppichhandel“. „Kurz, knapp, klar und unmissverständlich“ werde der Antrag sein, den man dem Parteitag vorlege, ohne Feinheiten zum Kündigungsschutz oder anderen sozialdemokratischen Problemfällen. Zum Diskutieren habe man ja die vier Regionalkonferenzen anberaumt, zu denen neben dem Kanzler bereits rund 15 000 Parteifunktionäre eingeladen sind.

Höchst ärgerlich sind für Scholz an diesem Montag auch die Fragen nach dem Mitgliederbegehren. Er, der Parteichef des Alltags, hat davon nämlich erst aus der Presse erfahren. „Unfair“ hat SPD-Fraktionschef Franz Müntefering dieses Vorgehen der Initiatoren genannt, zu denen elf Bundestagsabgeordnete zählen. „Erlaubt ist das, aber der feine Stil ist es nicht“, sagt Scholz, der auf Fragen, ob er die Partei nicht richtig im Griff habe, nicht recht antworten will. Jedenfalls glaubt er, dass die Konzession, einen Parteitag abzuhalten, dem Mitgliederbegehren den Wind aus den Segeln nimmt.. Dies sei das Hauptmotiv für den Schritt, flüstert man im Willy-Brandt-Haus. Der Parteitag und das Mitgliederbegehren würden zeigen, dass es in der SPD eine überwältigende Unterstützung für den Reformkurs gebe, prophezeit Scholz am Montag. Das Prinzip Hoffnung. Nicht, dass der Generalsekretär am Ende wieder klüger sein wird, als er vorher war.

Markus Feldenkirchen

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