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Politik: Die Stimmen und die Stimmungen: Rühe wollte in der Fraktion einen Vertrauensbeweis - er hat ihn nicht bekommen (KOmmentar)

Angela Merkel und Friedrich Merz: Diese beiden sollen sich Wolfgang Schäubles Erbe in Fraktion und Partei teilen. Das hat der CDU-Teil der Unionsfraktion im Bundestag jetzt deutlich gemacht: mit einer Wahl, in der Volker Rühe bei seiner Bewerbung zum Vizevorsitzenden weniger Stimmen erhielt als 1998 - und dazu noch eine stattliche Anzahl von Gegenstimmen.

Angela Merkel und Friedrich Merz: Diese beiden sollen sich Wolfgang Schäubles Erbe in Fraktion und Partei teilen. Das hat der CDU-Teil der Unionsfraktion im Bundestag jetzt deutlich gemacht: mit einer Wahl, in der Volker Rühe bei seiner Bewerbung zum Vizevorsitzenden weniger Stimmen erhielt als 1998 - und dazu noch eine stattliche Anzahl von Gegenstimmen.

Merkel hat bisher nur den Beifall gehört, noch nicht die Stimmen gezählt. Sie konnte und wollte von Amts wegen - als Generalsekretärin der CDU - nicht für die Fraktionsführung kandidieren. Sie kann sich aber in den Regionalkonferenzen der Partei für Schäubles zweites Führungsamt qualifizieren. Das ist die taktische Finesse und strategische Überlegung des designierten Vorgängers Schäuble: Er empfiehlt, in die Partei "hineinzuhorchen".

Würde dementsprechend der Beifall für Merkel in Prozent berechnet, dann hätten bei der Regionalversammlung in Recklinghausen - einen Tag nach der Wahl in Schleswig-Holstein - von den 700 anwesenden Parteimitgliedern mehr als 90 Prozent für eine Frau, diese Frau an der CDU-Spitze gestimmt. Das klang wie ein Vertrauensbeweis und offenbart den Anspruch: Merkel ist Hoffnung.

Und Volker Rühe? Zwei Tage nach der Wahl in Schleswig-Holstein muss sich er sich zunehmend Gegenstimmen zu seiner positiven Wertung anhören, und zwar aus seinem eigenen Landesverband. Aus der CSU, deren Spitze mehrheitlich ihn fördert, hieß es nun vor der gestrigen Fraktionswahl, der Beifall für den Wahlverlierer sei bei seinem Einzug so groß gewesen, dass er "110 Prozent" hätte bekommen müssen. Das hat er aber nicht.

In der Fraktion war Rühe, anders als Bewerber für die übrigen Posten, ohne Gegenkandidaten. Dennoch stimmten 32 Abgeordnete gegen ihn und noch weniger für ihn als beim letzten Mal. Er hätte einen Vertrauensbeweis nötig gehabt, erhielt ihn aber nicht. Das wirkt demonstrativ. Der Beifall war entsprechend: nicht so groß, dass Rühe glauben kann, sich über einen Kampf doch noch für das höchste Amt in der Partei zu qualifizieren. Aber wieder für das zweithöchste, das des Vize. Wie in der Fraktion.

Dazu kommt unumstritten Friedrich Merz. Die Union hat ihn mit mit 96 Prozent ins Amt des Fraktionsvorsitzenden gewählt, mit mehr Prozentpunkten, als beim letzten Mal Schäuble erhielt. Das ist natürlich zunächst einmal ein Vertrauensvorschuss: Wen Schäuble und CSU-Chef Edmund Stoiber aussuchen, den lässt die Christenunion schon nicht hängen. Aber die Prozentzahl offenbart zugleich den Anspruch, der an Friedrich Merz gerichtet wird. Der 44-jährige Politiker, im besten Blair-Alter, soll als parlamentarischer Gegenspieler von Kanzler Gerhard Schröder im Bundestag Normalität in Zeiten des Unnormalen herstellen.

Vor allem an seine Führungsleistung und an seine Integrationskraft knüpfen sich höchste Erwartungen. Ein kleiner Auszug aus dem Anforderungskatalog: die Einheit der Unionsparteien im Bundestag erhalten, die Opposition aufrichten, sie als glaubwürdige Regierungsalternative darstellen und die Regierung in Schwierigkeiten bringen. Und zwar "kraftvoll", wie Edmund Stoiber sagt. Das zusammengenommen ist ein Maßstab, an dem generell leicht scheitern ist. Schon gar dann, wenn der Mann an der Spitze noch weniger Routine im Krisenmanagement hat als sein Vorgänger Schäuble, also für Managementfehler anfällig ist. Und solche Fehler haben Schäuble letztlich seine beiden Ämter gekostet.

Schäuble war der Vorgänger, der die Fraktion zum Machtzentrum geformt hat. Hier liefen die Fäden zusammen, für die Unionsparteien, aber auch für die CDU allein. Bisher. Und zukünftig? Auch diese Frage wird zum Maßstab werden. Und auch dann, wenn der Nachfolger als Fraktionschef nicht zusätzlich noch die CDU führt.

Merz hat an der Stimmenzahl gesehen und am Beifall gehört, was von ihm außerdem erwartet wird: Er soll kraftvoll daran mitwirken, die Einheit der CDU zu erhalten. Mit Merkel. Die hört den Beifall. Ihre Stimmen werden noch gezählt.

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