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Utöya. Zwei Frauen sitzen beim temporären Mahnmal vis-a-vis der Insel nahe der norwegischen Hauptstadt Oslo, wo der Attentäter am vergangenen Freitag in einem Feriencamp unter zahlreichen Jugendlichen ein Massaker anrichtete.

© Reuters

Politik: Die Suche nach Opfern geht weiter

Am Freitag soll der Attentäter erneut verhört werden – doch der Chefankläger sagt schon jetzt: Die Aufklärung wird Zeit brauchen

Eine Woche nach dem Massaker von Oslo und auf der Insel Utöya ist unklar, ob und wie viele Vermisste es noch gibt. Deshalb wird zwar die Suche an Land beendet, im umliegenden Tyrifjord aber fortgesetzt. Wie die Zeitung „VG“ am Donnerstag in ihrer Online-Ausgabe berichtete, „präzisierten“ die Behörden mit dieser Mitteilung frühere Angaben, wonach die Suche ganz beendet worden sei. Weiter hieß es, man sei sich völlig sicher, dass auf der Insel keine weiteren Opfer des Massakers vom letzten Freitag seien. Nach Medienberichten wird nach dem Massaker noch eine Person vermisst. Die Polizei will sich dazu nicht äußern.

Der rechtsradikale Täter Anders Behring Breivik, der vor dem Massenmord auf der Insel in Oslo einen Bombenanschlag mit acht Toten verübt hatte, sitzt in Untersuchungshaft. Der Diplomatensohn wird rund um die Uhr überwacht, um eine Selbsttötung auszuschließen. Der 32-Jährige soll am Freitag erneut verhört werden. Vor Gericht wird er erst im kommenden Jahr kommen. Norwegens Chef-Ankläger begründete den späten Prozessbeginn damit, dass der Fall so umfangreich sei, dass die Ausarbeitung der Anklageschrift viel Zeit in Anspruch nehmen werde. „Aus Respekt vor den Toten und den Angehörigen muss der Täter für jede einzelne Tötung Rechenschaft ablegen“, sagte Tor-Aksel Busch im Radiosender NRK. Das stelle entsprechende Anforderungen an die Beweisführung. „Ich hoffe, die Leute haben Verständnis dafür.“

Unklar blieb zunächst, wie sich der Chefankläger gegenüber einer möglichen Schuldunfähigkeit des Angeklagten verhalten würde. Dessen Strafverteidiger Geir Lippestad hatte seinen Mandanten als „verrückt“ bezeichnet und erklärt, er werde deshalb auf Strafunfähigkeit plädieren. Zwei Psychiater sind derzeit damit betraut, Breiviks Seelenzustand zu untersuchen. Wann sie die Untersuchungsergebnisse vorlegen, ist noch nicht abzusehen. „Man kann eine spezielle Wirklichkeitsauffassung haben, aber dennoch die Umwelt realistisch auffassen und deuten. Wenn Breivik eine umfassende psychische Störung hätte, wäre das schon früher in seinem Leben aufgefallen“, sagt Rechtsmedizinerin Eva-Marie Lauren. Auch Janne Kristiansen, Chefin des norwegischen Geheimdienstes PST, sagte, sie halte den 32-Jährigen nicht für geisteskrank. „Ich empfinde ihn als einen zurechnungsfähigen verstandsklaren Menschen, denn er hat sich sehr lange Zeit in den Verhören konzentrieren können.“

Am Donnerstag wurde darüber spekuliert, ob Breivik vor der Tat einen Cocktail aus muskelaufbauenden Anabolika, Ephedrin und Aspirin genommen haben könnte. Darüber schrieb er in seinem Manifest. Anabolika erhöhen die Aggressivität, Ephedrin wirkt aufputschend.

Nach einem Bericht der norwegischen Nachrichtenagentur NTB sollte Breivik, der sich widerstandslos festnehmen ließ, eigentlich niedergeschossen werden. Angehörige einer Eliteeinheit hätten bereits auf ihn gezielt. Als sicher war, dass er keinen Sprengstoff am Körper trug, sei der Schießbefehl jedoch in letzter Sekunde zurückgenommen worden.

Als Lehre aus dem Doppelanschlag verstärkt die EU ihren Kampf gegen Terroristen. So wollen die 27 EU-Staaten den Zugang zu Chemikalien beschränken, aus denen Bomben gebaut werden könnten. Das teilten EU-Diplomaten nach einem Treffen von Anti-Terrorexperten mit. Auch über striktere Regeln für den Waffenkauf wird diskutiert. Zudem soll ein Netzwerk an Psychologen und Fahndern künftig Einzeltäter möglichst früher aufspüren. „Wir müssen solche Anschläge in Zukunft besser verhindern und schneller reagieren“, schrieben die Experten in einer gemeinsamen Mitteilung. „Das Phänomen des ,einsamen Wolfs’ – eines radikalisierten Täters ohne Bezug zu einer terroristischen Organisation – muss mehr Aufmerksamkeit bekommen. Norwegen, das kein Mitglied der EU ist, erhält Zugang zu den Daten von Europol. mit dpa

Andre Anwar[Stockholm]

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