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Politik: „Die Türkei hat sich zu Reformen verpflichtet“ EU-Kommissar Rehn zu den Gesprächen mit Ankara

In der Türkei finden in diesem Jahr Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Kann es unter dieser Voraussetzung überhaupt Fortschritte bei den Beitrittsgesprächen zwischen Brüssel und Ankara geben?

In der Türkei finden in diesem Jahr Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Kann es unter dieser Voraussetzung überhaupt Fortschritte bei den Beitrittsgesprächen zwischen Brüssel und Ankara geben?

Zum Glück gibt es Wahlen in den Demokratien Europas. Allerdings dürfen Wahlen kein Grund sein, Reformen hinauszuschieben – weder in der EU noch in der Türkei. Die Türkei hat sich verpflichtet, die Reformen fortzusetzen, und wir beobachten nun, wie sie das tut, besonders im Bereich der Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte. Es wäre ein starkes Signal, wenn die Türkei den Artikel 301 des Strafgesetzbuches ändern und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung garantieren würde. Es war in diesem Sinne sehr positiv, dass die türkische Zivilgesellschaft die Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink so scharf verurteilt hat.

Welche Fortschritte erwarten Sie bei den Beitrittsgesprächen mit der Türkei?

Ich erwarte, dass wir in der Lage sein sollten, zunächst ein Verhandlungskapitel im März zu öffnen, bei dem es um die Unternehmens- und Industriepolitik geht. Auch bei den Bereichen der Wirtschafts- und Geldpolitik, der Finanzkontrolle und der Statistik sind wir im Grunde so weit, dass die Verhandlungskapitel geöffnet werden können. Insgesamt erwarte ich, dass bis Ende Juni, wenn der deutsche EU-Vorsitz endet, bis zu vier Kapitel geöffnet werden. Es geht bei den Beitrittsgesprächen mit Ankara derzeit nicht mit dem Tempo eines Expresszuges vorwärts, aber der Verhandlungsprozess bleibt am Leben – nach den Wünschen unserer Mitgliedsstaaten, um den Reformprozess in der Türkei weiter zu unterstützen.

In diesen Tagen berät in Brüssel der Friedens-Implementierungsrat von über 50 Staaten und internationalen Organisationen über die Zukunft Bosniens. Es zeichnet sich ab, dass das Protektorat der internationalen Gemeinschaft über diesen Sommer hinaus verlängert wird. Rückt damit auch die EU-Beitrittsperspektive für Bosnien-Herzegowina in weitere Ferne?

Bosnien-Herzegowina hat die Perspektive eines EU-Beitritts. Aber Qualität geht vor Geschwindigkeit. Wenn das Amt des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien nun verlängert wird, hat das vor allem mit der gesamten Sicherheitslage in der Region zu tun.

Dem gegenwärtigen Hohen Repräsentanten für Bosnien, dem deutschen Ex-Postminister Christian Schwarz- Schilling, ist von Briten und Amerikanern vorgeworfen worden, nicht hart genug durchgegriffen zu haben. Teilen Sie diesen Vorwurf?

Die sogenannten Bonn-Powers, die dem Hohen Repräsentanten die Möglichkeit geben, bosnische Politiker abzusetzen, sollten nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Gleichzeitig wissen wir auch, dass die gesamte Region noch vor gewissen Herausforderungen steht. Daher kann es sinnvoll sein, noch nicht alle letzten Mittel zu nutzen.

Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens ist die EU-Kommission auf 27 Mitglieder angewachsen. Ist es nicht Zeit, die Zahl der Kommissare zu verringern?

Die EU hat sich inzwischen so weit entwickelt, dass es schon ein Wert an sich ist, wenn jedes Land einen Kommissar stellt. Der Kommissar stellt das Bindeglied zwischen der Verwaltung in Brüssel und dem Mitgliedsland dar. Es geht aber nicht unbedingt um die Zahl der Kommissare, sondern darum, wie effizient die Kommission arbeitet. Und dabei hat EU-Kommissionspräsident Barroso bereits Fortschritte erzielt. Ich kann mir eine Kommission vorstellen, in der es eine bestimmte Zahl von Vize-Präsidenten gibt, die die Arbeit einzelner Gruppen von „einfachen“ Kommissaren steuern, die an bestimmten Themen arbeiten.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Olli Rehn

ist seit 2004 EU-Erweiterungskommissar in der Kommission von José Manuel Barroso. Der 44-jährige Rehn

gehört der

finnischen Zentrumspartei an.

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