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Politik: „Die Türkei ist kein Rechtsstaat“

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Hans-Gert Pöttering, sieht noch keine Grundlage für Verhandlungen mit Ankara

Eigentlich sollte der EUGipfel von Kopenhagen ein historisches Treffen werden. Stattdessen scheint es nur noch um die Türkei zu gehen.

Das ist sicherlich ein wichtige Frage, aber dennoch bleibt richtig, dass Kopenhagen ein historischer Meilenstein in der Entwicklung der EU ist. Denn die Gemeinschaft wird die Aufnahme von 10 neuen Mitgliedsländern beschließen, die dann voraussichtlich zum 1. Mai 2004 vollzogen sein wird.

Die Beitrittsländer haben ihre Hausaufgaben erledigt, aber die EU selbst hat bis heute die Voraussetzungen ihrer Erweiterungsfähigkeit noch nicht geschaffen. Wie kann die größer werdende EU handlungsfähig bleiben?

Zunächst einmal möchte ich meinen großen Respekt vor den herausragenden Anstrengungen der Beitrittsländer ausdrücken! Auf der anderen Seite ist der Vertrag von Nizza in der Tat hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten geblieben. Deshalb hat meine Fraktion im Europäischen Parlament ja den Verfassungskonvent vorgeschlagen, der institutionelle Reformen ausarbeiten soll, damit auch eine größere EU handlungsfähig bleibt.

Nun mehren sich die Stimmen, dass mit der nun in Kürze abgeschlossenen Aufnahme neuer Mitgliedstaaten das Thema Beitritt zur EU abgeschlossen sei. Welche Perspektiven bleiben denn da etwa für die verbleibenden osteuropäischen Länder oder die Nachfolgestaaten Jugoslawiens?

Mit Bulgarien und Rumänien führt die EU Verhandlungen, und beide werden sicherlich demnächst auch in die EU aufgenommen werden können – vielleicht im Jahr 2007. Schwieriger liegen die Dinge für die Länder südlich von Slowenien bis hin zur griechischen Grenze, inklusive Albanien. Dort müssen noch gewaltige Anstrengungen unternommen werden, bis ein Beitritt zur EU in Frage kommt. Aber richtig ist, dass diese Länder diese europäische Perspektive haben müssen.

Eben solch gewaltige Anstrengungen unternimmt die Türkei. Und doch zeigt die EU diesem Land die kalte Schulter. Ist da aus Ihrer Sicht wirklich nicht mehr als ein privilegiertes Vertragsverhältnis drin?

In meiner Fraktion, die die größte im Europäischen Parlament ist, sind die Meinungen hierzu durchaus kontrovers. CDU und CSU sind gegen einen Beitritt, andere sind dafür. Aber in einem sind wir uns alle einig in unserer Fraktion: Jetzt mit dem Gipfeltreffen von Kopenhagen ist nicht der Zeitpunkt gekommen, um der Türkei ein konkretes Datum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu nennen. Denn die Türkei erfüllt die hierfür elementare Voraussetzung nicht: Jedes Land, mit dem die EU über einen Beitritt verhandelt, muss eine Demokratie und ein Rechtsstaat sein. Davon ist die Türkei noch weit entfernt.

Das Gespräch führte Peter Siebenmorgen.

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