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Der ghanaische Kardinal Peter Turkson hat die Umwelt-Enzyklika am Donnerstag in Rom vorgestellt. Der Papst selbst war derweil auf Reisen - in Albanien.

© Alessandro di Meo/dpa

Die Umwelt-Enzyklika des Papstes: Klimaschutz als moralische Pflicht

In seiner Umwelt-Enzyklika wendet sich der Papst gegen grenzenloses „Wachstum und Machterhalt“. Es geht ihm vor allem um die Folgen der Umweltzerstörung für die Armen.

So geht es nicht weiter. Papst Franziskus ist sich da ganz sicher: „Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der unhaltbare Lebensstil der Gegenwart nur in Katastrophen enden kann.“ Die Folge: Umweltpolitik kann für den Papst nicht im Herumdoktern an Symptomen bestehen, im Abhalten von Klimagipfeln beispielsweise, an deren Abmachungen sich keiner hält. Oder im „ablenkenden, rechtfertigenden Reden“ von nachhaltigem Wachstum, mit dem Unternehmer „gewöhnlich nur Aktionen zur Verbraucherforschung und zur Imagepflege“ bemänteln wollten. Kompromisse reichten nicht mehr, sagt Franziskus in seiner am Donnerstag vorgestellten Umweltenzyklika radikal: „Mittelwege sind nur eine kleine Verzögerung des Zusammenbruchs. Es geht darum, Fortschritt neu zu definieren.“
Wie schon in seinem ersten Rundschreiben „Evangelii gaudium“ von 2013, reitet Franziskus in „Laudato si“ eine Frontalattacke auf das System aus „Finanz und Technokratie“, das sich zu maximalem Gewinnstreben ohne Rücksicht auf Verluste verbündet und sich die „auffallend schwach reagierende Politik“ dermaßen unterworfen habe, dass man um die Souveränität der Staaten fürchten müsse. Um seine Macht zu erhalten, tendiere dieses System dazu, die unheilvollen Folgen eines „unersättlichen, unheilvollen Wachstums“, auf das es gebaut sei und das es in beinahe totalitärer Weise weiterhin als „einzige Lösung“ anpreise, zu „verschleiern“ oder zu „leugnen“. Dieses System lenke die Öffentlichkeit ab durch „oberflächliche Deklamationen und vereinzelte menschenfreundliche Aktionen“, und durch das Einlullen einer dafür allzu willigen Gesellschaft mit immer neuen, immer zahlreicheren Konsumgütern. Dieses System lebe von einer universellen „Wegwerfkultur“ – gegenüber Sachen wie gegenüber Menschen.

Rückgriff auf den "Sonnengesang" des Heiligen Franziskus

Für diesen Papst ist das System am Ende. „Diese Wirtschaft tötet“, hatte er 2013 geschrieben. Heute formuliert er: „Warum will man eine Macht bewahren, die in die Erinnerung eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?“
Der Titel der ersten Umweltenzyklika, die je ein Papst geschrieben hat, stammt aus dem berühmten „Sonnengesang“ des Heiligen Franziskus (gestorben 1226): „Laudato si – Gelobt seist du mein Herr mit all deinen Geschöpfen, mit Schwester Sonne, Bruder Wind...; gelobt seist du durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter...“ Papst Franziskus fordert Achtsamkeit, Nachdenken über die Folgen menschlichen Handelns, eine grundsätzliche Änderung des persönlichen Lebensstils – und einen „Schutz der Natur“ schon allein deshalb, „weil ja auch der Mensch Natur ist“. In diesem Sinne „muss sich heute ein wirklicher ökologischer Ansatz immer in einen sozialen verwandeln“. In die Umweltdiskussion „muss Gerechtigkeit aufgenommen werden, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klagen der Erde“.

Der Klimawandel trifft vor allem die Armen

Da sind also auch die Armen wieder, für die Franziskus immer schon Partei ergriffen hat: „Die Ausgeschlossenen sind der größte Teil des Planeten, Milliarden von Menschen.“ Vom Klimawandel seien gerade die Armen, die ärmsten Länder der Welt am härtesten betroffen; Wahlmöglichkeiten und Gegenmittel hätten sie keine, Klimaflüchtlinge würden auch nicht als asylberechtigt anerkannt; vielerorts fehle der Zugang zu sauberem Trinkwasser – „ein fundamentales Menschenrecht, weil zum Überleben ausschlaggebend und damit Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte“.
Dennoch, schreibt Franziskus, kämen die Probleme der Armen „in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Debatten“ nur als „Anhängsel“ vor, „wenn man sie nicht als bloßen Kollateralschaden betrachtet“. Es gebe eine „Schuld des Nordens gegenüber dem Süden“, schreibt Franziskus: „Das Verhalten derer, die mehr und mehr konsumieren, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde leben können, ist unvertretbar.“ Darum „ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt einen Wachstumsrückgang zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann“.

Umweltzerstörung ist Sünde

Diese Aussage ist der eine Gipfel dieser Enzyklika; der zweite besteht in der Forderung nach einer „ökologischen Bekehrung“. Damit gibt Franziskus dem von ihm beschriebenen (Um-)Welthandeln eine theologische Bedeutung – weit grundsätzlicher also, als es eine moralisch blasse, rein handlungsorientierte Forderung nach „Richtungsänderung“ getan hätte. Nach der brutalen Kapitalismusschelte in „Evangelium gaudium“ hat man Franziskus unter Marxismusverdacht gestellt. Diesmal hat er sich gewappnet. Viel und gerne zitiert er seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI., die - linker Umtriebe vollkommen unverdächtig - das System auch schon attackiert hatten. Benedikt zum Beispiel habe gefordert, „die strukturellen Ursachen der Fehlfunktionen der Weltwirtschaft zu beseitigen und die Wachstumsmodelle zu korrigieren“, schreibt Franziskus.

Das globale Gewicht des Lehrschreibens

Doch während Zitate aus bisheriger kirchlicher Lehre zum Inventar aller Enzykliken gehören, um deren Verankerung in der Rechtgläubigkeit der Kirche zu demonstrieren, hat Franziskus etwas Neues eingeführt: Er zitiert nicht nur Päpste (sich eingeschlossen) sowie Papiere aus dem Vatikan, sondern er lässt in der Sorge um die Schöpfung Bischofskonferenzen aus aller Welt zu Wort kommen: aus Südafrika, Brasilien, Mexiko, Japan, Deutschland, von den Philippinen und Neuseeland. Das gibt „Laudato si'“ noch mehr Gewicht – und zwar ein globales.

Wie der Papst den amerikanischen Bischöfen beikommt

Besonders clever aber hat Franziskus die USA eingebaut, aus deren Bischofskreisen schon vorab viel Kritik und vor allem die Befürchtung gekommen war, dieser „linke“ Papst werde gerade das amerikanische, tendenziell schrankenlose Wachstum- und Herrschaftsmodell nach dem biblischen Motto „macht euch die Erde untertan“ demontieren. Franziskus sagt nun, es gebe gegen den Klimawandel „differenzierte Verantwortlichkeiten“ – reichere Volkswirtschaften seien also mehr gefordert als kleinere –, und fügt dann eine Forderung der US-amerikanischen Bischöfe aus dem Jahr 2001 ein, man müsse sich „besonders auf die Bedürfnisse der Armen, der Schwachen und der Verletzlichen konzentrieren, in einer Debatte, die oftmals von den mächtigeren Interessen beherrscht ist.“ Gegen eine derart freundliche Eingemeindung – vom Typ: „Na, sagen wir nicht alle das Gleiche?“ – wird nicht mal der konservativste amerikanische Kleriker etwas einwenden können.

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