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Politik: „Die Union duckt sich weg“

Ministerpräsident Matthias Platzeck: SPD darf sich durch schlechte Umfragewerte im Bund nicht verunsichern lassen

Herr Platzeck, heute vor einem Jahr mussten Sie im Willy-Brandt-Haus aus gesundheitlichen Gründen Ihren Rücktritt vom SPD-Vorsitz erklären. Wie schwer war es, mit dieser Entscheidung fertig zu werden?

Schwer war es, die Entscheidung zu treffen. Ich habe dieses Amt sehr gern ausgeübt. Einzusehen, dass es nicht mehr geht, war der schwierigste Entschluss, den ich in meinem politischen Leben zu treffen hatte.

Wie lange haben Sie gebraucht, um sich innerlich damit abzufinden?

Nachdem ich die Entscheidung getroffen hatte, habe ich mich nicht mehr Wochen und Monate damit aufgehalten. Ich bin kein Mensch, der mit der Vergangenheit hadert. Für mich gilt: Was gewesen ist, ist gewesen. Und was kommt, muss gestaltet werden.

Jetzt gestaltet an Ihrer Stelle der SPD-Vorsitzende Kurt Beck. Ertappen Sie sich nie bei dem Gedanken: „Das hätte ich besser hingekriegt?“

Da kennen Sie mich aber schlecht! Ich bin keiner, der in der Überzeugung lebt, er könne alles besser. Ich bin Teamspieler, mache da mit, wo ich kann und wo es nötig ist. Ich bin sehr zufrieden, dass Kurt Beck die Verantwortung übernommen hat. Um es auf Brandenburgisch zu sagen: An ihm gibt es nichts zu meckern. Die Partei ist wieder stabil geworden, sie hat sich gefunden. Jetzt können und wollen wir wieder offensiver werden.

Während sich die CDU an den internationalen Auftritten der Kanzlerin berauscht, ist die Stimmung bei der SPD eher gedämpft. Was läuft schief für Ihre Partei in der großen Koalition?

Als wir die Koalition mitgeschmiedet haben, wussten wir doch, dass der Glanz bei einer guten Entwicklung zuallererst auf die Kanzlerin fallen würde. Das ist nun mal so und das wird derzeit noch verstärkt, weil die Kanzlerin in einer von Bildern beherrschten Medienwelt zusätzlich als EU-Ratspräsidentin für Motive sorgt. Davon dürfen wir uns nicht verunsichern lassen, unsere Zeit kommt.

Haben die schlechten Umfragewerte nicht auch damit zu tun, dass die SPD eingeklemmt ist zwischen einer sich modernisierenden Union und der Linkspartei von Oskar Lafontaine?

Ich sehe wenig sozialdemokratische Sympathisanten und Wähler, die wirklich von uns zur CDU oder zur Linkspartei abgewandert sind. Manche unserer Leute sind momentan zurückhaltender, aber auch das wird sich ändern. Ich halte es da zum einen mit Franz Müntefering und seinem Satz: Wenn wir was können, dann Wahlkampf. Zum anderen sehe ich, die Sozialdemokraten leisten in der Bundesregierung eine gute Arbeit, unsere Minister sind aktiv und haben vor allem einen Plan. Wir tun das Nötige für Deutschland. Das werden die Wähler spätestens 2009 merken und honorieren. Wir wollen und wir können bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden und danach den Kanzler stellen.

Trotzdem sind Teile der SPD unzufrieden mit der Politik in der Regierung, etwa mit der Unternehmensteuerreform.

Es zeichnet die SPD doch aus, wenn sie nach den Belastungen für die Bürger wie durch die Mehrwertsteuererhöhung und die Kürzung der Pendlerpauschale ernsthaft darüber streitet, ob Steuerentlastungen für Unternehmen der richtige Weg sind.

Und?

Die Ziele der Unternehmensteuerreform, den Produktionsstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten, finde ich richtig. Bei der Abgeltungssteuer ...

... die ein Teil des Reformpakets ist und einen pauschalen Steuersatz von 25 Prozent auf Erträge aus Kapitalvermögen vorsieht ...

… bin ich skeptisch. Ich glaube weder, dass das unbedingt nötig ist, noch dass es dazu führen wird, dass Anleger ihr Geld nicht ins Ausland transferieren.

Woher rührt Ihr Zweifel?

Sinn der Reform ist es ja, Kapital zu mobilisieren für Investitionen und somit auch Arbeitsplätze. Geldvermögen zu entlasten, steht nicht auf der sozialdemokratischen Agenda.

Wird das Land Brandenburg der Unternehmensteuerreform im Bundesrat zustimmen?

Wir können nicht zulassen, dass der harte Konsolidierungskurs in Brandenburg durch die Unternehmensteuerreform des Bundes eventuell konterkariert wird. Derzeit prüfen wir in Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzministerium, welche Folgen die Reform für unseren Haushalt haben wird. Dann wird entschieden.

Die CDU wirkt derzeit auch deshalb frischer und lebendiger als die SPD, weil sie mit Ursula von der Leyen das Thema Familie für sich erobert hat. Was kann die SPD dem entgegensetzen?

Ich sehe bei der CDU wenig Frisches. Dass Frau von der Leyen versucht, gute sozialdemokratische Politik in der CDU mehrheitsfähig zu machen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Familien- und Kinderpolitik erhebliche Differenzen in der Union gibt. Der richtige Ausbau der Kinderbetreuung wird mitnichten von der gesamten CDU/CSU mitgetragen. Bei anderen wichtigen Fragen duckt sich die Union weg. Ich habe noch keinen wirklichen Impuls von Wirtschaftsminister Glos erkennen können, und auch Landwirtschaftsminister Seehofer und Forschungsministerin Schavan sind bisher nicht weiter aufgefallen.

Im Osten deckt das Angebot an Krippenplätzen beinahe den Bedarf. Trotzdem wollen Sie im gleichen Maß an den Bundeshilfen für den Ausbau der Kinderbetreuung beteiligt werden wie die Westländer. Wie erklären Sie das Ihren Parteifreunden in Hamburg oder Düsseldorf?

Der Osten darf nicht dafür bestraft werden, dass er die richtigen Prioritäten gesetzt hat. Es kann nicht angehen, dass die Länder, die sich die Kinderbetreuung quasi vom Mund abgespart haben, bei der Verteilung von Bundesmitteln leer ausgehen, obwohl wir sie ebenso dringend für die Qualitätsverbesserung der Tagesbetreuung brauchen. Hier sage ich: keine neuen Fehler!

Inzwischen fordern auch Sozialdemokraten aus dem Westen Einschnitte bei den Finanzhilfen für Ostdeutschland. Gibt es eine Entsolidarisierung zwischen Ost und West?

Das hoffe ich nicht. Der Solidarpakt ist kein Gnadenakt, sondern Ergebnis einer Bedarfsanalyse. Ich kann nur davor warnen, den Pakt in Frage zu stellen. Wer das tut, spaltet das Land. Ich könnte die Diskussion ja noch verstehen, wenn sich die Schere zwischen Ost und West erkennbar geschlossen hätte. Doch weder bei der Zahl der Arbeitslosen noch bei der der Unternehmen ist das der Fall. Ich sage nur: Mit Brandenburg wird es kein Aufschnüren des Solidarpakts und auch keine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs im Rahmen der Föderalismusreform geben.

Erwarten Sie notfalls ein Machtwort von Bundeskanzlerin Merkel?

Ich bin sicher: Auch die Bundeskanzlerin setzt sich für die Einhaltung der beschlossenen Verträge ein, wenn es nötig ist, auch gegen unionsregierte Länder.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger, Thorsten Metzner und Gerd Nowakowski.

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