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Kanzlerin Angela Merkel und Fraktionschef Volker Kauder bei der Euro-Sondersitzung der Unionsfraktion.

© dapd

Die Union und der Euro: Die Zweifel bleiben

In der Union kritisieren immer mehr die Euro-Politik der Kanzlerin. Deshalb stellte sie sich der Fraktion und versuchte Überzeugungsarbeit zu leisten. Großen Unmut erregte aber eine ganz andere.

Von Robert Birnbaum

Volker Kauder lässt ein Würstchen locker in der Hand hin- und herwippen, bevor er herzhaft reinbeißt. Angela Merkels Fraktionschef wirkt wie einer, dem jetzt eine kleine Rauferei ganz recht käme. Dabei ist der Anlass, aus dem sich seine Fraktion am Dienstagabend im Reichstag versammelt, alles andere als lustig. In der Union gehen die Zweifel an der Euro-Rettung um. Die Sondersitzung mitten im Urlaub soll verhindern, dass der Dampfdruck im Kessel weiter steigt.

Der Druck kommt von innen, er kommt aber vor allem von außen. „Wir können das den Leuten alles nicht mehr erklären“, sagt ein bayerischer Abgeordneter. Die Details der immer neuen Euro-Rettungspakete verstünden ja eh nur noch ein paar Fachleute. Doch selbst der Versuch, das Thema etwas allgemeiner anzufassen, stößt an Grenzen. Dass Europa für die Deutschen ökonomisch unverzichtbar ist – bis dahin, sagt der Christsoziale, gingen die Menschen noch mit. „Aber dass die Griechen das je hinkriegen, das glaubt keiner.“

Wolfgang Bosbach glaubt es auch nicht. Der Innenpolitiker hat in der Sondersitzung seine öffentlich geäußerten Bedenken wiederholt: dass er nicht erkenne, wie man mit immer mehr Krediten Griechenland auf die Beine helfen könne. Bosbach ist nicht irgendwer. Außerdem weiß jeder, dass er es ernst meint mit der Versicherung, er wolle Angela Merkel nicht schaden, wenn er dem Euro-Rettungspaket nicht zustimmen könne. Um so ernster ist sein Widerspruch. „Bosbach spricht aus, was viele von uns an Zweifeln in sich tragen, und das in einfachen, verständlichen Worten“, sagt ein Abgeordnetenkollege.

Solche einfachen, verständlichen Worte wünscht sich Norbert Barthle auch von der Kanzlerin. Der Finanzexperte der Fraktion versteht die Verunsicherung gut. Was die Regierung unternehme, sei ja richtig, sagt Barthle. „Was ich noch vermisse, ist, dass wir das einfügen in das Wertekonzept der Union.“ Dass die Mischung aus Druck auf Schuldenstaaten und Kredithilfen „Hilfe zur Selbsthilfe“ sei, also ein ur-christdemokratisches Konzept, „das kommt viel zu wenig rüber“.

Merkel scheint den Mangel inzwischen erkannt zu haben. Am Montag hat sie im CDU-Vorstand schon ein Plädoyer für Europa gehalten, vor der Fraktion appelliert sie erneut, an das große Ganze zu denken: Nur Europa als Wertegemeinschaft könne stark bleiben in einer Welt, in der sich China und Indien zu neuen Machtzentren entwickelten. „Die Krise ist noch nicht vorbei, das haben wir jetzt leider gesehen“, zitieren Teilnehmer die Chefin. Aber dass etwa Spanien gerade beschlossen habe, eine Schuldenbremse in die nationale Verfassung aufzunehmen – das zeige doch, dass der Weg richtig sei. „Wir müssen den Euro stark machen“, sagt Merkel, „aber die Fehler aus der Vergangenheit beseitigen.“ Die Euro-Zone werde sich auf Dauer nur stabilisieren lassen durch mehr Abstimmung zwischen den Staaten und nicht durch weniger.

Engagiert sei Merkel aufgetreten, sagen Abgeordnete. Die offenen Abweichler beeindruckte das wenig. Europa, sagt der Sachse Manfred Kolbe, das sei nicht der Euro. Kolbe findet, man solle grobe Schuldensünder wie Griechenland aus der Euro-Zone ausschließen. Dass das auch für Deutschland am Ende fatal sein werde, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble ihm entgegenhielt, glaubt Kolbe eben nicht. Aber die Schar der entschlossenen Abweichler ist nach wie vor klein; ob sie über den Sommer gewachsen ist, ist schwer festzustellen, schon weil nur etwa zwei Drittel der Unionsabgeordneten den Urlaub für die Sondersitzung unterbrochen haben.

Merkel arbeitet jedenfalls daran, dass es nicht mehr werden und die – am Dienstag von den Fraktionen nun endgültig auf Ende September festgesetzte – Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm für Schwarz-Gelb nicht zum Desaster wird. Die Kanzlerin betont darum noch einmal, dass sie eine Schuldenbremse für alle Euro-Staaten will. Sie bekräftigt ihren Widerstand gegen Euro-Bonds – „grob fahrlässig“ sei der Ruf von SPD und Grünen nach einer solchen Vergemeinschaftung der Schulden unter den heutigen Bedingungen rein nationaler Haushalts- und Finanzpolitik. Und Merkel deutet ein zusätzliches Sanktionsinstrument an: Dass der Europäische Gerichtshof jeden Verstoß gegen eine EU-Verordnung bestrafen könne, nicht aber Verstöße gegen die Haushaltsdisziplin, das sei nicht in Ordnung.

Einen weiteren Vorschlag allerdings lehnte Merkel rundweg ab: Ursula von der Leyens Vorstoß nämlich, von Schuldenstaaten als Bedingung für Kredite die Verpfändung von Goldreserven und Industriebeteiligungen zu verlangen. Kauder hatte die Idee der CDU-Vizevorsitzenden vorher schon verworfen. „Wir sollten die Diskussion nicht fortsetzen“, dekretiert der Fraktionschef knapp. Man ahnt da plötzlich, wem die Rauflust galt.

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