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Politik: Die Verbraucher bocken

DER KAMPF FÜR MEHR BIO

Von Maren Peters

Ob es Zufall ist, dass der Biomarkt auf der Grünen Woche „Biotopia“ heißt? Als Leitmotto der inzwischen dreijährigen Amtszeit von Verbraucherministerin Renate Künast wird der Titel zumindest immer passender. Während die grüne Politikerin in den Messehallen am Berliner Funkturm noch der Agrarwende hinterherhechelt, haben die Konsumenten sich längst entschieden: für Aldi. Für Geiz. Gegen glückliche Eier und BioRindfleisch.

Dabei war Künast furios gestartet: In ihrer ersten Regierungserklärung, unmittelbar nach der BSE-Krise, hatte sie die Devise „mehr Klasse statt Masse“ ausgegeben. Bis 2010, kündigte die oberste Verbraucherschützerin an, sollten der Anteil der Öko-Landwirtschaft von damals zwei auf 20 Prozent steigen, Fördermittel der EU zu Gunsten art- und umweltgerecht produzierender Betriebe umgeschichtet und Subventionen gestrichen werden.

Die Verbraucher fanden das klasse. Künasts Beliebtheitswerte erreichten Dimensionen, die sonst nur Dauerbrenner Joschka Fischer kannte, sie wurde zum Liebling des Kabinetts, zum Liebling der Verbraucher. Doch als der BSE-Skandal verblasste, ließen die Verbraucher ihre Ministerin im Stich. In Umfragen erklärten sie zwar immer noch, dass sie gerne bereit wären, zehn bis 30 Prozent mehr Geld für Bio-Kost auszugeben, tatsächlich kauften sie ihr Hackfleisch dann aber doch lieber beim Discounter. Sie wollten gute Produkte, aber sie wollten auch billige Produkte. Die Antwort gaben ihnen Aldi, Lidl, Plus & Co. Glückliche Kühe streichelten sie trotzdem gern.

Dabei ist Künast Ziel, die Agrarwirtschaft umzukrempeln, ein richtiges Ziel. Keiner kann ernsthaft lieblos produzierte Massenware Öko-Kost vorziehen. Aber in der Praxis schlägt der Preis das schlechte Gewissen. Zwar behaupten fast 80 Prozent der Verbraucher, sie wären bereit, mehr Geld für Bio-Lebensmittel auszugeben, doch 81,7 Prozent kaufen ihre Eier nach wie vor aus Legebatterien. Und finden das völlig normal. Der Verbraucher ist nun einmal irrational, er ist nicht berechenbar, vor allem aber ist er nicht treu. Während Künast die Front zieht zwischen Demeter und Discounter, zwischen teurer Bio-Kost und Billig-Essen, sieht der Verbraucher darin überhaupt keinen Widerspruch.

Das ist Pech für Renate Künast. Ihre Agrarwende passt nicht zum Konsumenten, zumindest nicht zum Durchschnittskonsumenten. Ihre Bilanz nach drei Jahren Amtszeit sieht nicht gut aus: Als in Deutschland das Rabattfieber ausbrach, sagte die Politikerin dem Preisdumping im Lebensmittelhandel den Kampf an – eine Anti-Billig-Kampagne am Kunden vorbei. Und auch den Kampf gegen das Genfood hat Künast soeben verloren. Genetisch veränderte Pflanzen wird es bald auch in Deutschland geben. Die Ministerin kann den Anbau zwar erschweren, verhindern konnte sie ihn aber nicht.

Drei Jahre nach der Verkündung der Agrarwende steckt Künast in der Sackgasse. Der Anteil der Öko-Lebensmittel hat sich zwar verdoppelt, dümpelt aber immer noch bei vier Prozent. Seit dem Nitrofen-Skandal um verseuchtes Biofutter haben die Verbraucher auch Vertrauen darin verloren, dass Bio-Lebensmittel nicht nur teurer, sondern auch besser sind. Inzwischen muss Künast zufrieden sein, wenn der Anteil der Biolandwirtschaft bis 2010 zumindest acht oder neun Prozent erreicht. Nicht eben eine glorreiche Bilanz. Zugeben würde sie das nie. Zur Eröffnung der Grünen Woche sieht sie die Agrarwende noch immer auf einem „extrem guten Weg“. Ein wenig verkrampft klingt das schon.

Künast wäre besser beraten, sich verstärkt den Themen zu öffnen, die den Verbrauchern wirklich am Herzen liegen, statt sich auf klassische Agrarpolitik zurückzuziehen. Die Hilfe der Ministerin könnten wir alle auch in anderen Bereichen gut gebrauchen – wenn wir mit der Bahn fahren, zum Arzt gehen, eine Riester-Rente abschließen wollen. Doch bei der Gesundheitsreform, bei der privaten Altersvorsorge und bei den Minijobs haben wir unsere Verbraucherministerin vermisst. Renate Künast muss den Weg zum Verbraucher schleunigst wiederfinden. An Biotopia können wir trotzdem festhalten, als Traum, als Hoffnung – und auch als Ziel.

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