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Im Fokus. Nach dem Bremer Urnengang kurz nach seiner Vorsitzendenkür im Mai war die Wahl im Nordosten die nächste Bewährungsprobe für Philipp Rösler. Er hat sie ganz klar nicht bestanden.

© dpa

Die Verlierer: FDP stottert beim Neustart

Das schwache Abschneiden der FDP bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern könnte in der Partei auch dem neuen Chef Rösler angehängt werden.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Für Wahltage, ob nun für den Bundestag oder für einen Landtag, gibt es eherne Gesetze, an die sich Parteifunktionäre normalerweise halten. Zumal wenn sie Mitglied im Bundesvorstand einer Partei sind und noch dazu langjährige Wahlkampferfahrung als Generalsekretär haben. Eines davon lautet: Kämpfe bis zur letzten Minute und gestehe einen Misserfolg nicht ein, bevor die Wahllokale nicht geschlossen sind.

Cornelia Pieper kennt diese Gesetze nur zu genau. Die ostdeutsche FDP-Politikerin war Generalsekretärin ihrer Partei unter Guido Westerwelle, sie ist in seinem Führungsteam stellvertretende Parteivorsitzende geworden und auch als Vorstandsmitglied unter dem neuen FDP-Chef Philipp Rösler noch einigermaßen mächtig in der Partei.

Und doch hat Cornelia Pieper am Sonntagnachmittag gegen eine der ehernen Verhaltensregeln für Wahltage verstoßen. Noch während in Mecklenburg-Vorpommern die Wähler in Richtung Wahllokale gingen, um ihre Stimme abzugeben, gab Pieper die Wahl für ihre FDP verloren. „Die Wahlergebnisse müssen diejenigen verantworten, die diese Personaldebatte angezettelt haben“, sagte Pieper dem „Focus“ und warnte davor, Guido Westerwelle zum Sündenbock zu erklären, wenn an diesem Sonntag im Nordosten eintreten würde, was eigentlich alle erwartet haben. Dass nämlich die FDP weniger als fünf Prozent der Stimmen erhält und damit aus dem Landtag fliegt.

Piepers Warnruf an die junge Führungscrew ihrer Partei um Rösler und Generalsekretär Christian Lindner ist dabei nicht nur eine Frage der persönlichen Loyalität zu Westerwelle, der sie 2009 zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt machte. Ein Amt, um das sie fürchten muss, wenn Westerwelle sozusagen als Schuldiger mit Verspätung (er ist ja seit mehr als drei Monaten nicht mehr FDP-Vorsitzender) für das Wahldebakel in Schwerin verantwortlich gemacht und zum Rücktritt von seinem Regierungsamt gedrängt wird. Piepers Äußerung ist vor allem Ausdruck der Gesamtlage ihrer Partei, die seit Monaten vergeblich nach Sinn und Zukunft sucht und in der nun massiv Auflösungserscheinungen sichtbar werden.

Liberale Politik kommt in Mecklenburg-Vorpommern nicht an

Zur Wahrheit dieses Wahlsonntags gehört zunächst aber, dass klassische liberale Politik den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern zu keinem Zeitpunkt in den letzten zwanzig Jahren erfolgreich nahezubringen war. Das Land ist geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, massiver Abwanderung junger Menschen und zunehmender Hoffnungslosigkeit. Keine tausend Mitglieder zählt die FDP zwischen Schwerin und der Insel Rügen. Nur zwei Mal gelang es ihr, in den Landtag einzuziehen – 1990 und 2006. Zuerst mit 5,5 Prozent, dann mit 9,6 Prozent. Für die Mecklenburger und noch mehr für die Menschen in Vorpommern hat eine Partei, die Steuersätze senken und älteren Arbeitslosen das Arbeitslosengeld I kürzen will, eben kaum Botschaften.

Blickt man außerdem auf die entscheidenden Monate des Landtagswahlkampfes in diesem Herbst zurück, dann fällt zunächst nur auf, dass die FDP sich selbst am meisten im Wege stand. Geführt wird sie vom Landesvorsitzenden Christian Ahrendt, einem aus Westdeutschland stammenden Rechtsanwalt, der seit 2005 im Bundestag sitzt, und dem Landtagsfraktionsvorsitzenden Michael Roolf. Roolf, Reifenhändler und Mazda-Autohausbesitzer aus Wismar, war als Spitzenkandidat 2006 für den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag verantwortlich, überwarf sich jedoch vor kurzem mit Ahrendt und musste auf dessen Druck hin den Posten an Gino Leonhard abgeben. Der Kommunalpolitiker von der Insel Rügen jedoch konnte landesweit kaum mit eigenen regionalen Themen punkten.

In der Berliner FDP-Zentrale hatte man bereits vor Monaten damit gerechnet, dass die Partei im Nordosten an diesem Sonntag nur mit sehr viel Glück überhaupt den Wiedereinzug ins Landesparlament schaffen würde. Man vereinbarte, den nahenden Misserfolg als verschmerzbares Ergebnis in einem Prozess der Neuorientierung der gesamten Partei unter dem neuen Vorsitzenden Rösler zu erklären, für den der Wahlzeitpunkt in Mecklenburg-Vorpommern leider zu nahe am Neustart lag.

Seit Rösler jedoch vorige Woche mit dem missglückten Versuch, Ex-Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle aus dem Amt zu drängen, für jeden sichtbar den Verdacht genährt hat, er habe weder Konzept noch Führungskraft, um die FDP überhaupt wieder auf die Beine zu bringen, wird die Landtagswahl im Nordosten Westerwelle allein kaum noch in die Schuhe zu schieben sein. Zumal dieser als Außenminister auch schwer Schuld haben dürfte an einer Landtagswahl im Nordosten Deutschlands. Schwerin wird damit an Philipp Rösler hängen bleiben. Und in zwei Wochen wählt Berlin.

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