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Politik: Die Vertriebenen greifen Schröder an

Verbandspräsidentin Steinbach fordert ein Entschädigungsgesetz / Bundesregierung: Das wird es nicht geben

Berlin - Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), hat Kanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, die Entschädigungsforderungen deutscher Alteigentümer an Polen „mit einem Gesetz zur innerdeutschen Frage zu machen“. Dem Tagesspiegel sagte sie: „Ich rufe den Kanzler auf, einen solchen Weg zu gehen, anstatt sich mit leeren Sprüchen aus der Affäre zu ziehen.“ Die Bundesregierung lehnte am Montag ein Entschädigungsgesetz strikt ab, „eine solche Lösung wird es nicht geben“, sagte Vizeregierungssprecher Steg.

Beim Besuch der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstands hatte Schröder Entschädigungsforderungen Vertriebener zurückgewiesen und Polen Unterstützung vor internationalen Gerichten zugesagt. In den 50er Jahren hatte die Bundesrepublik Vertriebenen im Rahmen des Lastenausgleichs bereits Geld für enteigneten Besitz gezahlt. Ob dies als Entschädigung gilt, ist bei Vertriebenenorganisationen umstritten. Polen hat bisher keine gesetzliche Regelung bezüglich der Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Forderung der „Preußischen Treuhand“ nach Entschädigung hatte das deutsch-polnische Verhältnis in den vergangenen Tagen empfindlich gestört.

Schröder habe die Vertriebenen zu Sündenböcken gemacht, sagte Steinbach. Zugleich warf sie dem Kanzler vor, er habe Position gegen die eigenen Staatsbürger bezogen. Andere Vertriebenenvertreter gaben sich zurückhaltender. Der ehemalige Funktionär des Bundes der Vertriebenen Hartmut Koschyk (CSU) bezeichnete es als „unklug, dass der Kanzler die Frage nach der Entschädigung so in den Vordergrund gerückt hat“, wollte sich der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung so aber nicht anschließen. Der frühere Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Herbert Hupka (CDU), äußerte sich ähnlich und betonte, seiner Ansicht nach gehe es eher „um eine moralische Verurteilung des Eigentumraubes, die es bisher nicht gegeben hat“.

Der Rechtsexperte der Grünen, Jerzy Montag, nannte Steinbachs Forderung „absurd“ und verlangte von CDU-Chefin Angela Merkel, sich von den Vertriebenenverbänden und ihrer Präsidentin zu distanzieren. Zudem sagte Montag, ein Rechtsstaat könne seine Bürger nicht hindern, vermeintliche Ansprüche einzuklagen: „Wir können kein Gesetz machen, in dem wir auf angebliche Privatansprüche verzichten.“ Der Union warf er „ widerliches Doppelspiel“ vor. So pilgerten CDU- Politiker nach Warschau, andererseits hielten Abgeordnete Rückgabeansprüche offen und hofierten die Stammtische der Vertriebenenverbände. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) kritisierte den Aufritt des Kanzlers und betonte: „Die entschädigungslose Enteignung der Vertriebenen bleibt völkerrechtswidrig.“ Dagegen sagte Unions-Außenpolitiker Friedbert Pflüger, Schröder habe „zur Entschädigungsfrage die Position wiedergegeben, die alle Bundesregierungen vor ihm vertreten haben“. Individuelle Entschädigungen würden von den Parteien im Bundestag politisch abgelehnt. Er rief dazu auf, „zum überparteilichen Konsens zurückzukehren und die Entschädigungsdebatte zu beenden“.

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