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Politik: Die Wähler strafen Gordon Brown ab

Schwere Niederlage für Labour und den britischen Premier bei Kommunalwahlen / Medien: Johnson führt uneinholbar in London

Der Wahlverlierer hat für die Wähler Verständnis. „Die Menschen sorgen sich um ihre Lebensmittel- und Benzinrechnungen“, sagte Gordon Brown. „Und es gibt Unsicherheiten um Hypotheken und Kredite.“ Damit benannte Großbritanniens Premierminister die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise auf die britische Wirtschaft. Und gab gleichzeitig Gründe an für seine schwere Niederlage bei den Kommunalwahlen in England und Wales. Die von ihm geführte Labourpartei verlor auf breiter Front Stimmen und rutschte beim landesweiten Anteil auf Platz drei hinter die Liberaldemokraten ab. Hochgerechnet auf das gesamte Land kam Labour nach einer Analyse des Senders BBC auf einen Stimmenanteil von 24 Prozent. Die oppositionellen Konservativen liegen mit 44 Prozent weit vor der Regierungspartei. Die Liberaldemokraten kamen auf 25 Prozent.

In London war das Ergebnis zunächst unklar. Was Gerüchte während der Stimmauszählung am Freitagmorgen andeuteten, verdichtete sich im Laufe des Tages: Der konservative Kandidat Boris Johnson, in ganz Großbritannien bekannt als Journalist und Talkshow-Moderator, führt gegen Browns Parteifreund Ken Livingstone. Die Zeitung „Evening Standard“ und die BBC meldeten am Abend, die Führung sei uneinholbar. Das tatsächliche Ergebnis der Wahl in der 7,5-Millionen-Stadt wurde allerdings erst in der späten Nacht bekannt. „Ich gratuliere ihm für seinen Wahlkampf und danke ihm für seine Verdienste um London“, sagte Brown über Livingstone. „Er hat die Olympischen Spiele hierhergeholt und viel für den Verkehr und den Wohnungsbau getan.“ Es klang fast wie ein politischer Nachruf.

Dem Endergebnis in England und Wales – ohne London – zufolge büßte Labour 331 Mandate ein. Die Konservative Partei gewann 256 Sitze hinzu. Von ursprünglich 27 hat Labour jetzt nur noch in 18 Stadt- und Gemeinderäten die Mehrheit. Die Konservativen kontrollieren 65 Lokalparlamente, 12 mehr als zuvor. Die Liberaldemokraten haben die Mehrheit in zwölf Stadt- und Gemeinderäte, in einem mehr als zuvor.

Das Ergebnis war für Labour so schlecht wie zuletzt vor vier Jahrzehnten – als die Hippies durch britische Städte zogen und die Beatles in den Charts waren, wie es ein Kommentator der BBC ausdrückte. Doch trotz der historischen Niederlage gab sich Gordon Brown kämpferisch. Er sprach von einem „wahren Test für Führungsstärke“, der nicht in guten Zeiten komme, sondern in Momenten, in denen es nicht so gut laufe. Auch bei den landesweiten Meinungsumfragen liegt Brown zurück. Bis zum Jahr 2010 hat er Zeit für eine Aufholjagd. Spätestens dann muss sich der frühere Schatzkanzler, der Tony Blair vor einem Jahr als Premier nachfolgte, erstmals in einer Unterhauswahl dem Votum der Bürger stellen. Sein Ziel ist ein vierter Sieg in Folge für Labour. Ein Ziel, das immer weniger realistisch erscheint.

Es ist alarmierend für Brown, dass sich die Tories in Labours Hochburgen breit machen. Der Sieg in der Stadt Bury zum Beispiel steht für eine neue konservative Stärke im englischen Norden, sonst Kernland der Linken. Aber auch im Süden gab es Überraschungen, zum Beispiel den konservativen Erfolg in der Hafenstadt Southampton, mit dem nicht zu rechnen war. Oppositionsführer David Cameron wollte allerdings jeden Eindruck von Selbstzufriedenheit vermeiden. Davon gebe es „keine Unze“ im konservativen Team, sagte er immer wieder in die Kameras. „Wir wollen nicht nur auf dem Rücken einer gescheiterten Regierung gewinnen, sondern die Wähler selbst überzeugen“, sagte Cameron mit dem Blick auf kommende Parlamentswahlen. Diese Kommunalwahl sei aber nicht nur ein Votum gegen Gordon Brown gewesen, sondern auch für ihn und seine Partei.

Tony Travers von der London School of Economics sieht einen Stimmungsumschwung zugunsten der Konservativen Partei. „Viele, die einst Tony Blair wegen seiner Wirtschaftsreformen wählten, gehen nun zurück zu den Konservativen.“ Der Experte von der renommierten Wirtschaftsuniversität hält die ökonomischen Daten derzeit aber für nicht so negativ, wie es die weltweite Finanzkrise nahe legen könnte. „Die britische Wirtschaft ist gar nicht in einem so schlechten Zustand im Moment", sagte Travers und nannte vor allem die weiterhin niedrige Arbeitslosigkeit als Indikator. „Aber die Wähler scheinen das nicht mehr anzuerkennen.“

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