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Absturz an der Börse: Die Währung heißt Vertrauen

China hat sein Vertrauen in die europäischen Märkte bekräftigt, doch seine Probleme kann der Westen nur selbst lösen.

Mitten im größten Chaos an den Finanzmärkten ploppte am Freitag eine Hoffnung auf: Chinas Außenminister Yang Jiechi signalisierte Europa seine Unterstützung. Schuldenkrise hin, Börsen-Crash her – die Volksrepublik habe ihr Vertrauen in die Eurozone nicht verloren, hieß es vielversprechend auf der Homepage des Pekinger Ministeriums. – Danke, China!

Ein schönes Versprechen, mehr nicht. Die Chinesen mögen mit ihrem Wirtschaftswachstum ein Segen für die Exportbranchen und Anleihemärkte in den Industrieländern sein. Die Schulden, die Europa zerreißen und die USA lähmen, zaubern sie nicht weg. Auch, weil China seinen Zauber verliert und künftig langsamer wächst. Das haben Anleger in Tokio, Frankfurt, Paris, London und New York verstanden. Sie wissen, dass Europa und die USA ihre Probleme selbst lösen müssen – und dabei womöglich versagen. Wie im Rausch stürzten sich die Finanzinvestoren deshalb in den vergangenen Tagen in den Abgrund. In Panik wurden Aktien verkauft, schwerste Turbulenzen gab es auf den Anleihemärkten. Hunderte Milliarden gingen dabei verloren. Dax und Dow sind tiefer abgerutscht als nach der Katastrophe von Fukushima. Japan war gestern – aber was kommt morgen?

Dass es zuletzt noch dramatischer abwärtsging und dass aus Sorgen nackte Angst wurde – die Angst vor einer weiteren Weltwirtschaftskrise – hat selbst Profis überrascht. Gab es vor zwei Wochen nicht bessere Gründe, als Griechenland vor dem Kollaps stand? War der Schulden-Poker in Washington nicht ein nachvollziehbarer Anlass zum Ausverkauf?

Politische Fahrlässigkeit ist es, die den Märkten den letzten Tritt gibt und bei uns allen den Eindruck hinterlässt, dass noch etwas Bedrohlicheres auf uns zukommt. Silvio Berlusconi träumt dreist vom gesunden Italien  und versetzt die alarmierten Anleihemärkte erst recht in Aufregung. EU-Kommissionspräsident Barroso gießt Öl ins Feuer, als er vor Ansteckungsgefahren warnt und einen größeren Rettungsschirm fordert. EZB-Chef Jean-Claude Trichet zeigt sich ungewohnt unprofessionell, als er im Nebensatz die Nachricht verbreitet, dass die Europäische Zentralbank wieder Schrottanleihen der Pleitestaaten kauft. Dass nun auch die neue IWF-Chefin Christine Lagarde ein juristisches Verfahren am Hals hat, gibt den Börsen den Rest.

In der Summe zeigt die Wende zum Schlechteren, dass relevante Politiker und Institutionen nicht verstanden haben, dass die Akteure am Finanzmarkt sensibler, vernetzter und schneller reagieren. Indem Fonds, Versicherungen und Banken tun, was sie tun müssen – Geld verdienen – verschärfen sie Trends und Übertreibungen. Der Computerhandel hilft ihnen als gefährlicher Turbo dabei. Aber es sind nicht böse Spekulanten, die uns in die Krise reiten. Die Schulden haben andere gemacht. Und die Herde zieht an den Finanzmärkten nur so weit, wie sie losgelassen wird. Legt Politik keine Handlungsspielräume fest – für sich selbst und für den Markt –, ist sie intransparent und volatil. Operieren aber alle im Ungewissen, ist dies das gefährlichste Gift für die Börsen.

Die eilig von Sarkozy und Merkel einberufene Krisenkonferenz ist nicht mehr als eine hilflose Reaktion auf das längst Geschehene: Kaum jemand traut ihnen noch zu, dass sie das Schuldenproblem kurzfristig in den Griff bekommen und beruhigend auf die Märkte wirken können. Genau darum geht es aber: Kurzfristig so zu handeln, dass eine langfristige Strategie dahinter erkennbar wird. Schulden nicht mit neuen Schulden in die Zukunft verschieben. Staatspleitiers nicht die Anreize nehmen, selbst wieder solide zu wirtschaften. Den Staat nicht als Nachfrager eliminieren, indem man ihn nur weniger ausgeben, aber nicht mehr einnehmen lässt. Also das Gegenteil vom Washingtoner Schuldenpoker, vom Brüsseler Alarmismus, vom Sarkozy’schen Aktionismus… Vertrauen gewinnt man so an den Börsen nicht zurück. Man mag es bedauern, dass Politik überhaupt auf dieses Vertrauen angewiesen ist. Aber es wäre naiv zu hoffen, Fondsmanager, Ratingagenturen und Aktienhändler ließen sich irgendwann abwählen.

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