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DIE WAHLEN SEIT 1949 (12): Die Schwarz-Rot-Gold-Wahlen

Bundestagswahlkämpfe waren immer spannend. Der Rückblick zeigt: Jeder Wahlabend brachte Überraschungen, und es gibt immer wieder Bezüge zur Gegenwart.

Bundestagswahlkämpfe waren immer spannend. Der Rückblick zeigt: Jeder Wahlabend brachte Überraschungen, und es gibt immer wieder Bezüge zur Gegenwart. Teil 12 der Serie: 1990

Dezember 1990 – ein historisches Datum. Die Einheitswahlen finden statt. Die politische Klasse in Bonn und die Politbürokraten in Ost-Berlin hätten nur wenige Jahre zuvor nicht geglaubt, was in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1990 passieren sollte: die demokratische Bestätigung der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik. Gut ein Jahr zuvor war die Mauer gefallen, die SED-Herrschaft wurde hinweggefegt, es gab die ersten und letzten demokratischen Volkskammerwahlen. Die Regierungen verhandelten einen Einigungsvertrag, es sollte nun möglichst schnell „zusammenwachsen, was zusammengehört“, das war der berühmte Spruch Willy Brandts, der unter den führenden Sozialdemokraten die neue Zeit vielleicht am schnellsten kapiert und angenommen hatte – viele aber verharrten in einer Art Opposition gegen den Einigungsprozess, was sich bei den Wahlen bitter rächen sollte.

Die ersten Illusionen waren zwar im Dezember 1990 verschwunden, im Westen dämmerte es schon vielen Wählern, dass die Sache teuer würde. Im Osten zeigten sich die gravierenden wirtschaftlichen Folgen der DDR-Staatspleite, aber die Hoffnung überwog. Die Einheit war das einzige Thema dieser Wahl.

Wäre die DDR nicht zusammengestürzt, die SPD hätte die Wahlen möglicherweise gewonnen. Helmut Kohl war als Kanzler und Parteichef in den Jahren davor nicht nur umstritten, er war deutlich angeschlagen. In der SPD hatte sich Oskar Lafontaine nach vorne gekämpft, der für eine rot-grüne Koalition stand, die Ende der 80er Jahre durchaus Chancen hatte. Aber Kohls recht geradlinige Strategie, die Vereinigung der beiden Staaten rasch voranzutreiben, kam bei den Wählern deutlich besser an als Lafontaines Bedenkenträgerei.

Der Hauptstreitpunkt war die Finanzierung der Einheit, letztlich also die Abwicklung der maroden Teile der DDR-Wirtschaft und der Wiederaufbau der flächendeckend heruntergekommenen Infrastruktur. Kohl versprach „blühende Landschaften“, lehnte Steuererhöhungen ab und fuhr einen klaren Wahlsieg ein, aber keinen grandiosen. Die Union kam auf 43,8 Prozent, das bis dahin schlechteste Ergebnis seit 1949. Es war eher die FDP unter Führung von Hans-Dietrich Genscher, die von der Einheit und der Popularität des Außenministers in Ostdeutschland profitierte. Sie kam auf elf Prozent.

Die SPD brach regelrecht ein, Lafontaines Realismus-Wahlkampf, der in der Forderung nach höheren Steuern gipfelte, zog nicht. Der Saarländer konnte auch mit dem Nationalpathos, das herrschte, wenig anfangen – aber das war nun einmal im Osten vorhanden, und es war verständlich. Nur 33,5 Prozent der Wähler votierten für die SPD, im Osten war es nur ein Viertel. Es war ein schwacher Trost, dass die schwarz-gelbe Koalition, die nun Gesamtdeutschland regierte, wenige Wochen nach der Wahl im Februar 1991 höhere Steuern beschloss.

Die Grünen und auch die Partei des Demokratischen Sozialismus – so nannte sich jetzt die um die schlimmsten Altkader bereinigte SED – wären nicht im Bundestag vertreten gewesen, hätte nicht das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Wahlvertrag die politischen Gruppierungen in der DDR benachteilige. Die bundesweite Fünfprozenthürde wurde von Karlsruhe gekippt, es gab somit zwei Wahlgebiete, eine kuriose Situation: Die Einheitswahl wurde getrennt ausgezählt, als ob BRD und DDR noch existierten.

Dadurch schaffte es das ostdeutsche Bündnis 90 mit dem Zusatz Die Grünen in den Bundestag dank 6,2 Prozent in den neuen Ländern, im Westen waren es 4,8 Prozent. Auch die PDS rettete sich dank 11,1 Prozent im Osten in das erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament seit 1932. Schwarz-Gelb hatte eine satte Mehrheit. Helmut Kohl, nun Kanzler der Einheit, konnte seine durchwachsene Amtsperiode der 80er Jahre vergessen machen. Am Kabinettstisch in Bonn saßen nun auch Ostdeutsche – am unteren Ende eine unscheinbare junge Frau namens Angela Merkel, die für Frauen und Jugend zuständig war. Albert Funk

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