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Politik: Die Weltgemeinschaft zögert

Die UN debattieren über Sanktionen gegen Sudan, nicht über einen Einsatz

Bislang ist es nicht mehr als ein überraschend deutliches Statement. In seinem letzten Beschluss vor der Sommerpause bezeichnete der US-Kongress das Geschehen in Westsudan als Völkermord. „Die Bush-Administration muss das hören“, sagte der demokratische Senator Tom Daschle, „die internationale Gemeinschaft muss es hören und ganz sicher auch die sudanesische Regierung, die den Genozid toleriert, wenn nicht sogar unterstützt.“ Das Weiße Haus zögert jedoch ebenso wie die Vereinten Nationen, von einem Völkermord zu sprechen, was die Staatengemeinschaft zum sofortigen Eingreifen zwingen würde.

Gemäß der Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord aus dem Jahr 1948 liegt ein Genozid vor, wenn bestimmte Handlungen in der Absicht begangen werden, eine „nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Dabei geht es unter anderem um Tötungen, das vorsätzliche Erschweren von Lebensbedingungen oder Zufügen von schwerem seelischen und körperlichen Schaden an Mitgliedern einer Gruppe. Im Falle eines Völkermords müssen die Vertragsstaaten handeln und die Verantwortlichen bestrafen.

Doch die Weltgemeinschaft zögert. US-Außenminister Colin Powell kündigte nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan lediglich an, dass die USA ihren Resolutionsentwurf für den Weltsicherheitsrat verschärfen würden. Demnach drohen Khartum Sanktionen, sollte die Regierung nicht innerhalb von 30 Tagen Beweise vorlegen, dass sie gegen die Dschandschawid–Milizen vorgeht, die in Darfur für den Tod von Zehntausenden Menschen und die Vertreibung von über einer Million Provinzbewohner verantwortlich gemacht werden. Wie die Sanktionen aussehen sollen, darüber beraten derzeit die 15 Mitglieder des Sicherheitsrates. Annan mahnte zudem, dass über 200 Millionen Dollar fehlen, um den Menschen in Darfur effektiv zu helfen.

Der Londoner Bürochef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Steve Crawshaw, kritisiert den Sicherheitsrat für sein Zögern: „Es sterben Menschen, die nicht sterben müssten, wenn er schneller handeln würde. Die Tatsachen liegen längst auf dem Tisch.“ Welchen Einfluss der Beschluss des US-Kongresses haben wird, vermochte er indes nicht zu sagen: „Ob man es Völkermord nennt oder wie wir ethnische Säuberungen, ist eine eher sterile Debatte um Begriffe. Aber alles, was Aufmerksamkeit auf die Situation in Darfur lenkt, hilft.“

Unterdessen zeigten sich die beiden größten Rebellengruppen in Darfur offenbar zu substanziellen Gesprächen mit der Regierung in Khartum bereit. Vertreter der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA) und der Bewegung Recht und Gleichheit (JEM) kamen am Freitag in Genf mit dem UN-Beauftragten für Afrika, Mohammed Sahnoun, zusammen. Bei dem Treffen sollten Ort und Datum der Verhandlungen festgelegt werden, sagte UN-Sprecher Fred Eckhard.

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