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Politik: Die Zähmung des Volkstribuns

Der neue Schweizer Justizminister Blocher muss Politik gegen seine innere Überzeugung machen

Auf den Schweizer Rechtspopulisten Christoph Blocher warten heikle Aufgaben: Der Law-and-Order-Verfechter wird ab Januar 2004 als neuer Justizminister Positionen vertreten müssen, die er bisher bekämpft hat. Entsprechend wortkarg gab sich der Volkstribun dann auch nach der Ressortverteilung in Bern am Sonntagabend: Er wolle die „nicht kleinen“ Probleme in den Bereichen von Justiz und Polizei lösen.

Das andere neue Regierungsmitglied, der liberale Hans-Rudolf Merz, zieht in das Ressort ein, auf das auch Blocher ein Auge geworfen hatte: das Finanzministerium. Die restlichen fünf Minister behalten ihre Portfolios; darunter die Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Die sieben Minister einigten sich innerhalb von 15 Minuten auf die neue Konstellation.

Justizminister Blocher muss seine erste Feuerprobe im Februar 2004 bestehen. Dann wird das Volk über die Initiative „Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter“ abstimmen. Das Brisante daran: Bislang unterstützte Blocher den Vorstoß. Das Parlament und die Regierung lehnen die harte Gangart gegenüber dieser Tätergruppe jedoch ab. Jetzt wird vom neuen Justizminister erwartet, dass er die Linie des Kabinetts vertritt.

Außerdem sollen die Schweizer im nächsten Jahr über die schnellere Einbürgerung junger Ausländer entscheiden. Auch gegen diesen Plan stemmte sich Blocher bisher mit Vehemenz. Doch als zuständiger Minister muss der Populist – auch hier gegen seine innere Überzeugung – das Vorhaben vertreten. „Ob Herr Blocher rechtlich dazu verpflichtet ist, die Bundesratsmeinung in jedem Fall zu vertreten, müssen wir noch prüfen“, sagt eine künftige Mitarbeiterin des neuen Justizministers.

Blochers Schweizerische Volkspartei (SVP) spielt das Ausmaß des Dilemmas jedoch herunter. „Natürlich besteht da ein Konflikt, aber Minister mussten in der Schweiz schon öfters Politik gegen ihre Parteien machen“, sagt SVP-Sprecher Yves Bichsel auf Anfrage.

Gegen die „Dominanz der rechten, alten Männer“ in der neuen Schweizer Regierung machten in den vergangenen Tagen tausende Frauen mobil. Auf Demonstrationen bezeichneten sie die Zusammensetzung des Kabinetts als „Skandal“. Der 63-jährige Blocher hatte mit seiner Vorgängerin Ruth Metzler eine 39-Jährige abgelöst. Der Protest der Frauen hatte jedoch noch einen anderen Adressaten: den neuen Finanzminister Merz. Mit seinen 61 Jahren hob auch er das Durchschnittsalter der Schweizer Regierung kräftig an. Einzige Frau unter sechs Männern im Kabinett ist jetzt Außenministerin Calmy-Rey.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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