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Politik: Die zukünftige Bundespolitik - CDU-Chef Wolfgang Schäuble sorgt sich nach den Erfolgen um sein Oppositionsprofil

Es ist heiß im Saal der Konrad-Adenauer-Stiftung. Aber Wolfgang Schäuble redet unverdrossen über den Wert der Institutionen in der Demokratie.

Von Robert Birnbaum

Es ist heiß im Saal der Konrad-Adenauer-Stiftung. Aber Wolfgang Schäuble redet unverdrossen über den Wert der Institutionen in der Demokratie. Das längliche Loblied der Gremien und der parlamentarischen Verfahren wirkt auf den ersten Blick deplatziert an einem Tag, an dem die CDU allen Anlass hätte, sich in Selbstlob und Feierlaune zu ergehen. Denn gleich zwei Wahlsieger sitzen ja neben dem CDU-Chef: links Peter Müller von der Saar, rechts Jörg Schönbohm aus Brandenburg. Aber Schäubles Vortrag beweist nur, dass der Parteichef schon weiter denkt.

Regierungswechsel an der Saar, Absturz der SPD in Brandenburg, wo womöglich bald eine Große Koalition regiert - vor einem halben Jahr hätte davon niemand in der CDU zu träumen gewagt. "Mit großer Befriedigung", berichtet Schäuble, habe die Parteispitze das zur Kenntnis genommen. Für Kanzler Gerhard Schröder bedeute der Wahlausgang eine "desaströse Niederlage". Doch Schäubles Gesamtbilanz fällt nüchtern aus: "Für uns als CDU sind die Wahlergebnisse eine wichtige Etappe."

Der CDU-Chef weiß um die Risiken des Sieges. Das Stichwort heißt Bundesrat. "Wir werden keine Blockadepolitik machen", versichert Schäuble. Nun hätte die CDU dafür auch gar keine Mehrheit. Daran ändern auch die drei Stimmen nichts, die jetzt von der Saar hinzukommen: Nur 24 der 69 Stimmen im Bundesrat gehören rein unionsregierten Ländern. Andererseits hat die SPD, hat Rot-Grün ebenfalls keine Mehrheit in der Länderkammer. So wird der Zwang zum Kompromiss mit jedem CDU-Wahlsieg größer.

Das ist freilich ein Zustand, über den die CDU nicht nur froh sein kann. Gerade der Modernisierer Schäuble kann inhaltlich vielem nicht widersprechen, was Schröder will. Dem CDU-Chef schwant schon, wie die SPD daraus Kapital schlagen könnte: "Die Spin-Doktoren wollen ja so ein Gemälde malen, als hätten wir eine All-Parteien-Regierung." Genau diesen Eindruck will er vermeiden. Schäuble mag nicht von Schröder in die Mitverantwortung gezogen werden - kann sich dem aber im Bundesrat auch nicht ganz entziehen. Darum das Lob des Parlaments mit seiner klaren Trennung von Regierung und Opposition, von Verantworung und allenfalls Mitverantwortung; daher die Abneigung gegen "Rentengipfel" und andere Konsensrunden. "Die Demokratie lebt von Unterschieden", sagt Schäuble.

Entsprechend sehen die Überlegungen in der CDU-Führung für den künftigen Oppositionskurs aus. "Wir müssen nicht alles mitmachen", sagt ein Präside. "Aber wir können auch nicht drei Jahre vor der nächsten Wahl alles blockieren." Schäuble hat die Losung ausgegeben, die CDU werde die Regierung mit eigenen Vorschlägen unter den "Druck der besseren Alternative" setzen. Die Themenfelder hat der CDU-Chef auch gleich abgesteckt: Rentenreform - die die Koalition freilich auch gegen den Bundesrat durchsetzen kann -, Steuern, Gesundheitsreform.

Wenn es gut geht, könnten christdemokratische Landespolitiker dann bei der Suche nach Kompromissen im Bundesrat ihre Gestaltungsfähigkeit unter Beweis stellen - so wie vor 1982, als sich einer wie Gerhard Stoltenberg von Kiel aus den Bürgern als Finanzfachmann empfahl und eine der Grundlagen für Helmut Kohls "Wende" legte.

Für Müller und Schönbohm steht die parteiinterne Rollenzuweisung schon fest. Mit dem "Jungen Wilden" Müller habe die CDU wieder einen Exponenten auf dem linken, sozialpolitischen Flügel, sagt ein CDU-Mann; der Ex-General Schönbohm bediene die Klientel am anderen Ende des Spektrums: "Wenn Sie in Deutschland 40 und mehr Prozent der Stimmen holen wollen, brauchen Sie diese Vielfalt."

Ende September wird der neue Landtag erstmals zusammentreten und den neuen Ministerpräsidenten wählen. Auf Konfrontation mit dem Bund will der Wahlsieger Peter Müller, der nach der Siegesfeier am Morgen zu den Gremiensitzungen seiner Partei nach Berlin flog, dann aber nicht setzen.

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