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Serpil A., 51, arbeitet seit Jahren als Putzfrau.

© privat

DIE HEIRAT BRACHTE PROBLEME: „Ich hätte gern studiert“

Ich bin die älteste von sechs Geschwistern und 1980, mit 20, nach Duisburg gekommen. Mein Vater, der seit 1968 hier war, hatte zunächst die Jüngeren nachgeholt, als er merkte, dass er bleiben würde.

Ich bin die älteste von sechs Geschwistern und 1980, mit 20, nach Duisburg gekommen. Mein Vater, der seit 1968 hier war, hatte zunächst die Jüngeren nachgeholt, als er merkte, dass er bleiben würde. Ich hätte gern studiert und wollte Lehrerin werden, aber die Zugangsbedingungen zum Studium in der Türkei wurden damals sehr verschärft und dann kam der Umzug. Die drei Jüngeren haben in Deutschland eine Berufsausbildung gemacht, wir älteren nicht. Ausschlaggebend war dafür nicht mein Vater, sondern meine Mutter. Sie war Analphabetin und sehr ängstlich; sie wollte auch meinen Bruder, der Fachabitur hatte, nicht studieren lassen. Ich hatte nur eine Freundin, Türkin und ebenso einsam wie ich.

Meine eigentlichen Probleme fingen aber mit der Heirat an. Wir zogen zu den Schwiegereltern nach Bochum. Bis dahin hatte ich eine gewisse Freiheit, aber von da an habe ich sechs Jahre lang das Leben einer Sklavin geführt. Meine Schwiegermutter wollte, dass ich ihr diente, das Geld, das ich verdiente, nahm mir mein Schwiegervater ab. Es wurde besser, als mein Mann und ich von Bochum wegzogen. Unsere Söhne wären sonst nie aufs Gymnasium gekommen. Der ältere ist sein kurzem promoviert, der jüngere, der Physik studiert hat, schließt seine Dissertation demnächst ab. Ich bin stolz auf meine klugen Jungs, sie haben das alles ohne meine Hilfe geschafft. Seit drei Jahren leben mein Mann und ich getrennt. Damals habe ich einen Deutschkurs an der Volkshochschule belegt; das geht leider jetzt nicht mehr, weil sich meine Arbeitszeiten verändert haben. Ich denke aber, ich spreche ganz ordentlich deutsch. Nur für manche Behördengänge brauche ich noch Hilfe, sonst meistere ich mein Leben selbst. Mit meinen deutschen Nachbarn verstehe ich mich prima. Ich fühle mich jetzt endlich frei und bin glücklich mit meinem Leben. Enkelkinder sind das einzige, was mir noch fehlt.

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