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Politik: Dienen soll bilden

Die Politik sucht nach Ersatz für den Zivildienst – auch Bildungsgutscheine für soziale Arbeit sind im Gespräch

Von Hans Monath

Angesichts der unsicheren Zukunft von Wehr- und Zivildienst ist eine politische Debatte darüber entbrannt, wie Hilfe für Kranke und Pflegebedürftige und andere soziale Dienste sichergestellt werden können. Der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel schlug vor, der Staat solle Freiwilligendienste durch die Zusicherung von Bildungsvorteilen attraktiv machen. „Wir sollten jedem, der zwölf Monate Dienst an der Gemeinschaft leistet, einen Bildungsgutschein des Staates über die gleiche Dauer geben", sagte er dem Tagesspiegel. Der Anreiz, etwa die Förderung einer Fortbildung oder eines Auslandsstudiums, soll nach Meinung des SPD-Politikers unabhängig davon geschaffen werden, ob sich die Politik für die Aussetzung von Wehrpflicht und Zivildienst entscheidet. Gabriel warb dafür, den Zivildienst beizubehalten. „Während die Politik mäßig erfolgreich versucht, die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung in den Griff zu bekommen, leisten wir uns gleichzeitig den Luxus, über die Abschaffung des Zivildienstes zu diskutieren“, sagte er.

Die von Familienministerin Renate Schmidt (SPD) eingesetzte Kommission zur Zukunft des Zivildienstes empfahl am Donnerstag einen langfristigen Strukturwandel hin zu Freiwilligendiensten für den Fall, dass die Wehrpflicht fällt. Die Grünen und die FDP begrüßten das Ergebnis. Dagegen warnte die Vizechefin der Unions-Fraktion, Maria Böhmer (CDU), eine Verkürzung der Zivildienst-Dauer auf neun Monate werde „tiefe Einschnitte in Qualität und Quantität der sozialen Angebote für Kranke und Pflegebedürftige“ ergeben.

„Wir müssen den Menschen, die sich sozial engagieren, auch etwas bieten", sagte Gabriel zur Begründung seines Bildungsgutschein-Vorschlags. Nach seinen Vorstellungen soll das Angebot langfristig gelten. „Wer das später im Berufsleben nutzen will, um eine Weiterbildung im Beruf zu machen, soll den Gutschein auch noch mit 48 oder 55 realisieren können", sagte er.

Unabhängig von dem Vorschlag für Bildungsgutscheine sprach sich Gabriel für die Einführung eines sozialen Pflichtjahrs aus. „Wir wissen in Deutschland ziemlich gut, was für uns selbst gut ist und wie wir individuell vorankommen, verwenden aber wenig Energie und Fantasie auf die Frage, wie wir unsere Gesellschaft als Ganzes nach vorne bringen", sagte er. „Wir dürfen nicht alle Pflichten gegenüber der Gemeinschaft nur deshalb zur Disposition stellen, weil sie vielleicht ein bisschen unbequem sind." Der Dienst solle nur für Männer verbindlich sein. „Solange Frauen auch in ihrer beruflichen Entwicklung nicht wirklich gleichberechtigt sind, sollten wir sie davon ausnehmen", sagte er. Viele Frauen brächten als Mütter „eine Riesenleistung für die Gesellschaft".

Zum Kommissionsvorschlag sagte die FDP-Abgeordnete Ina Lenke, die Abschaffung des Zivildienstes biete die Chance, die Zukunft sozialer Dienste neu zu regeln und zehntausende neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Die Grünen sehen sich durch den Bericht in ihrer „Kernforderung“ nach dem Ende der Wehrpflicht bestätigt. „Der Ausstieg ist möglich“, sagte Fraktionsvize Winfried Nachtwei.

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