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Wer stinkt hier wen voll? Ein paar Diesel mehr als üblich werden am Montag vorm Kanzleramt erwartet.

© Reuters

Dieselkrise und moderne Verkehrspolitik: Was aus dem Auto werden soll

Beim Dieseltreffen am Montag im Kanzleramt geht es vor allem um Geld. Um die Mobilität von morgen geht es nicht. Doch erst die Debatte wird richtig interessant. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Wer zu einem Dieselkrisentreffen mit einem Dieselauto anreist, befindet sich bereits mitten drin in der Klemme, die viele mächtig zwickt. Weil er weiß, was er tut, makelbehaftet ist und zugleich keinen umstandslos praktikablen Ausweg kennt.

Und so wird wohl eine kleine Stickoxidsonderwolke aufsteigen vor dem Bundeskanzleramt, wenn an diesem Montag die Vertreter mehrerer Ministerien und Angela Merkel mit Oberbürgermeistern aus rund 35 Kommunen zusammentreffen, um zu beraten, wie die Folgen der gefälschten Dieselabgaswerte für letztere abgemildert werden könnten. Es geht dabei vor allem um Interessengruppenfragen. Die Kommunen haben laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gut 250.000 Autos in ihren Fuhrparks, fast alles Diesel. Also interessieren sie sich aus Betroffenheit für die notwendig gewordenen Nachrüstungen, sowie die Frage, ob tatsächlich Fahrverbote für besonders belastete Orte drohen, und dafür, wie viel Geld es aus dem beim ersten Dieselgipfel mit Konzernvertretern beschlossenen „Mobilitätsfonds“ für sie geben wird.

Um eine „neue Mobilitätsstrategie“ selbst, wie sie allenthalben gefordert und als überfällig proklamiert wird, wird es weniger gehen, wenn man sich die vorab verkündeten Verabredungsziele anschaut. Dabei dürfte erst dieser Debattenpunkt richtig interessant werden, weil für eine wirklich neue Mobilitätsstrategie, also jenseits von mehr Radwegen, mehr ÖPNV, keine überzeugenden Konzepte bekannt wurden. Eine neue Strategie würde aber, um den Namen zu verdienen, viel mehr ändern müssen.

Allein der Hinweis auf Luftqualität reicht nicht

Und es ist längst nicht ausgemacht, dass die Mehrheit der Bevölkerung bereits begierig darauf wartet, endlich den Pkw stehen lassen zu können, um sich mittels moderner Mobilitätskonzepte durch den öffentlichen Raum zu bewegen. Im Gegenteil. Die Menschen kaufen sich Autos und fahren darin herum, als würde es den Dieselskandal gar nicht geben.

Das Auto ist ein Mittel, um sich den Alltag leichter zu machen: Es ist fahrplanunabhängig, es ist jederzeit verfügbar, man kann es vollpacken, wie es einem passt, und es fährt, wohin man will und wann man will, was außerhalb städtischer Zentren ein großer Pluspunkt ist. Es wird nicht leicht werden, eine Strategie zu ertüfteln, die diese Vorzüge toppen kann. Lastenräder, Mietwagen oder Sharing-Projekte bieten das jedenfalls nicht. Und diejenigen, die von derlei Privatautovorteilen nichts halten, die haben in der Regel schon heute keins. Auch für den öffentlichen Nahverkehr gibt es den menschlichen Faktor. Wer Bus und Bahn zur Morgen- und Abendstunde aus sozialer Unverträglichkeit meidet, tut das unabhängig davon, wie oft die fahren.

Eine innovative Mobilitätsstrategie, die angenommen werden will, muss mehr bieten und damit überzeugen. Allein der Verweis auf weniger Emissionen wird nicht reichen. Würden die Menschen sich für die Luftgüte wirklich interessieren, wäre das Auto niemals so ein gigantischer Erfolg geworden. Und seine Hersteller hätten nie so eine Macht bekommen, dass sie die Politik an den Nasenring nehmen konnten.

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