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Politik: „Dieser Einmarsch ist für Israel kein Spaziergang“

Drusenführer Walid Dschumblatt über die politische Situation im Libanon, die Entführung israelischer Soldaten und die Zukunft der Hisbollah

Zehntausende Vertriebene haben in der drusischen Chouf-Region Zuflucht gesucht. Wie werden Sie damit fertig?

Wir versuchen unser Bestes mit der Hilfe der libanesischen Regierung. Die meisten sind in Schulen, andere in privaten Häusern, bei Freunden, oder sie mieten sich etwas. Leute, die etwas Geld haben, leben in den Hotels, davon gibt es hier aber nicht sehr viele. Es fehlt noch an Matratzen und Decken. Zum Glück ist es Sommer. Ich habe aber angeordnet, dass keine Zelte aufgestellt werden, das ist unwürdig.

Hauptsächlich schiitische Vertriebene kommen nun in christliche, sunnitische und drusische Regionen. Könnte das sogar eine Chance für die verschiedenen Gruppierungen sein, sich näher zu kommen?

Jetzt müssen wir sehen, wohin der Libanon steuert. Wenn Hisbollah ihre eigenen Bedingungen für einen Waffenstillstand ohne Rücksicht auf den Staat diktiert, ist das gefährlich. Hisbollah spricht nun nur von Waffenstillstand und Gefangenenaustausch, der libanesische Staat wird nicht einmal erwähnt.

Die libanesische Regierung wurde von der Hisbollah-Aktion überrascht, unterstützt sie jetzt deren Widerstand gegen die israelischen Angriffe?

Wir verteidigen die libanesische Bevölkerung und unser Land gegen die israelische Aggression, aber wir heißen die Entführung der Soldaten nicht gut, denn sie fand auf israelischem Territorium statt.

Hat der Konflikt eine neue Dimension angenommen, seit israelische Truppen auf libanesischem Staatsgebiet stehen?

Es ist nicht das erste Mal, dass Israel in den Libanon einmarschiert. Daran sind wir gewöhnt. Aber jetzt sind die Spielregeln andere. Es ist für Israel kein Spaziergang.

Es sieht aus, als ob Hisbollah mit jedem Tag stärker wird. Was hat das für Folgen für das politische Gleichgewicht im Libanon?

Ich weiß nicht, ob sie den libanesischen Staat anerkennen und sich in die libanesische Armee integrieren oder ob sie ein Staat im Staat bleiben und eine Armee parallel zur libanesischen Armee behalten werden.

Was wäre Ihr Vorschlag, wie nach dem Ende der Kämpfe mit den Hisbollah-Waffen umgegangen werden soll?

Bevor der Krieg begann, haben wir im Nationalen Dialog darüber geredet, wie ihre Kämpfer in die libanesische Armee zu integrieren wären. Aber das hat Hisbollah ganz offen abgelehnt. Sie wollten ihre eigene Miliz behalten, die sich mit dem libanesischen Staat und der Armee nur koordiniert. Aber diese politischen Fragen können wir erst stellen, wenn der Krieg zu Ende ist.

Sie sind enttäuscht über die Ergebnisse der Konferenz in Rom?

Nein, warum sollte ich. Der libanesische Regierungschef hat klar gesagt, dass er einen Waffenstillstand will und nur der Staat autorisiert ist, über die entführten Soldaten und den Gefangenentausch zu verhandeln. Er hat auch gesagt, dass das ganze ein Paket sein muss, das eine UN-Truppe und die Rückgabe der Shebaa-Farmen enthält. Dieses Paket hat Hisbollah sofort abgelehnt. Sie wollen nur den Gefangenenaustausch.

Die syrische Regierung hat sich als Vermittler angeboten. Was halten sie von diesem Vorschlag?

Die Syrer haben so viele Raketen nach Libanon geschickt, dass sie den Libanon durch ihre Stellvertreter zerstört haben. Ich danke der syrischen Großzügigkeit, aber ihre Hilfe wollen wir nicht.

Welche Konsequenzen wird dieser Konflikt schließlich für den Libanon haben?

Das ist völlig offen. Sicher kann der Staat nicht länger Seite an Seite mit einer Miliz leben, die militärisch und finanziell mit ausländischen Mächten liiert ist.

Das Gespräch führte Astrid Frefel in Moukhtaral.

Walid Dschumblatt ist Chef der drusischen Volksgruppe, der viertgrößten Sekte im Libanon. Er wohnt in Moukhtara im Chouf-Gebirge. Für diese Region ist er auch Abgeordneter.

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