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Nachdenklich. Thüringens früherer Ministerpräsident Dieter Althaus.

©  Mike Wolff

Dieter Althaus: "Das Faktische ist endgültig abgeschlossen"

Zwei Jahre nach seinem Skiunglück arbeitet Dieter Althaus heute als Automanager – den Unfall hat er weitgehend abgehakt.

Ein großer Redner war Dieter Althaus nie. Aber seitdem der Ex-Ministerpräsident von Thüringen ein Automanager ist, denglischt er auch noch. „Local content“ lautete eine seiner neuen Formulierungen, als er vorigen Sommer zum ersten Mal wieder in der Heimat auftrat. Bei einem Treffen der Thüringer Autobranche in Erfurt hielt er einen Vortrag unter dem Titel: „Wege zur proaktiven Globalisierung der KMU.“

Althaus sagte eine Menge derart schwer verständlicher Dinge, als habe er beweisen wollen, dass er auch wirklich ein Wirtschaftsmann geworden ist. Der kanadisch-österreichische Konzern Magna, der voriges Jahr 17 Milliarden Dollar Umsatz machte, beschäftigt ihn als einen der Vize-Präsidenten im Europageschäft. Er soll sich um die Kontakte zum Kunden Volkswagen kümmern, für den der Autozulieferer Sitze, Spiegel oder Allradantriebe herstellt.

Nur ein Lobbyist will Althaus nicht sein. Er sieht sich vielmehr mit einer „klassischen Managementaufgabe“ betraut, wie er der österreichischen „Kronen Zeitung“ sagte. Doch mit Roland Koch, der demnächst Vorstandschef des Konzerns Bilfinger Berger wird, kann Althaus nicht mithalten. Sein Magna-Büro in einem Gewerbepark am Rande von Wolfsburg sei kaum größer als ein Wartezimmer beim Zahnarzt und noch weniger einladend, notierte der „Focus“. Althaus arbeite direkt über einer mongolischen Grillküche.

Kein Vergleich zur herrschaftlichen Staatskanzlei in Erfurt. Von hier aus regierte der CDU-Politiker sechs Jahre. Zu Beginn seiner Amtszeit galt er gar als Anwärter auf ein Bundesministerium, weil er gut mit Angela Merkel konnte. Doch Karriere, Gesundheit, ja sein ganzes Leben wurden vor genau zwei Jahren aus der Bahn geworfen. Am 1. Januar 2009 stieß er auf einer Skipiste in Österreich mit einer 41-jährigen Frau zusammen. Er überlebte schwer verletzt, die Skifahrerin starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Althaus wurde später wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Dreieinhalb Monate nach dem Unfall kehrte er in die Staatskanzlei zurück. Die CDU hatte ihn zuvor schon in Abwesenheit zum Spitzenkandidaten für die bevorstehende Landtagswahl gekürt. Doch Althaus war nicht mehr der Alte. Er machte politische Fehler, er wirkte seltsam abwesend. Und er beutete mit Interviews und Fotos den Unfall für den Wahlkampf aus, diesen Eindruck gewannen jedenfalls viele in Thüringen. Was folgte, war eine schwere Wahlniederlage. Aus der absoluten Mehrheit der Sitze wurden 31 Prozent für die CDU. In dieser Notlage erwies der Vormann seiner Partei einen letzten Dienst – und trat zurück. Er habe damit eine Koalition mit der SPD ermöglichen wollen, sagte er später. Als er im Landtag eine griesgrämige Randfigur zu werden drohte, wechselte er zu Magna. Freilich zum Ärger der Opposition, die darin einen Interessenkonflikt sah. Althaus hatte sich als Regierungschef für den Verkauf von Opel an den kanadischen Konzern eingesetzt. Kritik hagelte es aber auch deshalb, weil Thüringen dem 52-Jährigen für seine Zeit als Politiker schon jetzt eine Rente von monatlich 8500 Euro spendiert. Sein Magna-Gehalt wird nicht angerechnet.

Vom Unfall ist er nach eigenem Bekunden vollständig genesen. Er nimmt keine Medikamente mehr, es gibt keine Therapie. Er spielt wieder Fußball, wie früher, als er sich auf Fotos auch gerne als Skifahrer, Bergsteiger, Radfahrer oder Taucher zeigte. Nur an den schrecklichen Nachmittag auf der Riesneralm hat er bis heute keine Erinnerung. Ob er oft daran denke, was auf der Skipiste passiert sei, fragte ihn unlängst die „Thüringer Allgemeine“. „Natürlich beschäftigt mich das, in meinen Gedanken und Gebeten“, lautete seine Antwort. „Aber das Faktische ist endgültig abgeschlossen.“ Weil das Ereignis nicht in seinem Kopf sei, könne er zwar darüber nachdenken, auch darüber, wie die Außenwelt das bewerte. Aber das spiele heute keine Rolle mehr. „Da ist gesundheitlich nichts, was mich belastet oder verfolgt.“

Der Schadenersatz für die Hinterbliebenen des Unfallopfers ist jedoch weiterhin offen. „Die Verhandlungen laufen noch, stehen aber kurz vor dem Abschluss“, sagte Althaus-Anwalt Erich Bähr dem Tagesspiegel. Dieter Althaus selbst ließ eine Interview-Anfrage unbeantwortet. Vielleicht lag das daran, dass es jüngst den ersten Ärger mit seinem Arbeitgeber gab. Althaus hatte ausgeplaudert, dass sich Magna für den italienischen Autodesigner Pininfarina interessiert. Der Konzern ließ daraufhin nur kühl wissen: „Herr Althaus hat keine Sprecherfunktion.“

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