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Politik: Dieter Irsfeld ermittelt gegen Kohl - es ist sein letzter großer Fall

Mit Spitzenpolitikern unter Druck hat Dieter Irsfeld ausführlich Erfahrungen gesammelt. Der Bonner Oberstaatsanwalt, der nun gegen Helmut Kohl wegen "Untreue zum Nachteil der CDU-Bundespartei" ermittelt, hat auch gelernt, sich gegen gezielte Provokationen zur Wehr zu setzen.

Mit Spitzenpolitikern unter Druck hat Dieter Irsfeld ausführlich Erfahrungen gesammelt. Der Bonner Oberstaatsanwalt, der nun gegen Helmut Kohl wegen "Untreue zum Nachteil der CDU-Bundespartei" ermittelt, hat auch gelernt, sich gegen gezielte Provokationen zur Wehr zu setzen. Im ersten großen Parteispenden-Prozess der Bundesrepublik war Irsfeld Mitte der 80er Jahre einer von neun Bonner Staatsanwälten, die sich um die Aufklärung der Flick-Affäre bemühten. Der Verteidiger Otto Graf Lambsdorffs warf den Vertretern der Anklage damals "unseriöses, unredliches und willkürliches" Verhalten vor. Seine Attacke unterstrich er mit großen Gesten.

Staatsanwalt Dieter Irsfeld blieb äußerlich gelassen. Als ihm der Vorsitzende Richter wenig später das Wort zur Verteidigung in eigener Sache erteilte, spürte jeder im Saal, dass er nicht gewillt war, diesen Angriff hinzunehmen. "Ich bin froh", parierte Irsfeld die Einlassung Müllers, "dass ich früher häufiger tätig war in Prozessen von Rechts- und Linksradikalen und in dem Gebaren ihrer Verteidiger geübt bin." Allein dieser Satz sicherte ihm die volle Aufmerksamkeit der Angeklagten von Graf Lambsdorff über Hans Friderichs bis hin zu Eberhard von Brauchitsch sowie deren Rechtsvertreter. Sie schlug in Empörung um, als er leise hinzufügte: "Das macht mich heute gelassener." Mit diesen wenigen Worten war der Eklat im Parteispendenprozeß vor dem Bonner Landgericht perfekt. Graf Lambsdorff weigerte sich später, Fragen dieses Anklagevertreters zu beantworten, seine Verteidiger beantragten dessen Ausschluss vom Verfahren - was natürlich abgelehnt wurde.

Die kleine Episode sagt viel über Dieter Irsfeld und dessen berufliches Wirken. Der Anklagevertreter hatte schon häufig mit den politischen Größen dieser Republik zu tun - und das Muster von Attacke und Gegenrede war stets gleich. Egal ob ihm Helmut Kohl, Otto Graf Lambsdorff oder andere gegenüber standen, fast immer reagierten die hohen Herren auf seine Vorwürfe mit völligem Unverständnis. Und wenn er sie dann zwang, sich diesen Vorwürfen zu stellen, dann gefielen sie sich in den Rollen beleidigter Majestäten.

Seit November 1967 arbeitet der in Köln geborene Jurist bei der Staatsanwaltschaft Bonn, davon die meiste Zeit in der politischen Abteilung. Allein in den 80er Jahren hat er 2200 Verfahren abgewickelt. Daneben musste er im Laufe seines Wirkens unzählige Anzeigen gegen die Kanzler dieser Republik bearbeiten. Die meisten von ihnen hat er als unbegründet zurückgewiesen. Nur mit Helmut Kohl verhält es sich anders. Schon 1982 saß Irsfeld ihm gegenüber und wollte etwas über jene 565 000 Mark wissen, die der damalige Flick-Manager von Brauchitsch dem CDU-Vorsitzenden hatte zukommen lassen. Irsfeld war zu dieser Zeit als Leiter der politischen Abteilung zuständig für die Parteispenden sowie die juristische Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels bundesdeutscher Geschichte. Kohl wurde nicht belangt, seine offenkundigen Gedächtnislücken retteten den Kanzler damals. Dafür wurden die FDP-Politiker Lambsdorff, Friderichs und der Manager von Brauchitsch auf Betreiben des Oberstaatsanwalts Irsfeld vor dem Bonner Landgericht verurteilt.

Irsfeld hat nie viel über diese aufregende Zeit erzählt. Freunde und Kenner der Justizszene beschreiben ihn als "akribischen Arbeiter", dessen Vorträge Ergebnisse stringenten Denkens sind. Dass er aus dem Bauch heraus argumentiert oder attackiert, versuchen ausschließlich seine Gegner zu suggerieren; wie das Beispiel von Lambsdorffs Verteidiger Egon Müller zeigt, waren sie freilich nie besonders erfolgreich. Inzwischen ist Irsfeld Leiter jener Bonner Behörde geworden, die er mit seinem scharfen juristischen Sachverstand so lange geprägt hat. "Er kennt nur Recht und Gesetz", sagt man in Düsseldorf, wo er seine Ernennungsurkunde erhielt. Er fühlte sich ausschließlich diesem Grundsatz verpflichtet, als er jetzt das Ermittlungsbegehren gegen Helmut Kohl unterzeichnete. Er tat auch das ohne besondere Regungen. Denn der 64-Jährige weiß genau, dass er selbst dieses Verfahren nicht zu Ende führen kann. Seinen Ausgang wird er aller Wahrscheinlichkeit nach als pensionierter Zeitungsleser verfolgen.

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