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Politik: Dietmar Bartsch könnte Lothar Bisky beerben - doch der Politiker hält sich bedeckt

Wie will Dietmar Bartsch nur auffallen zwischen all den illustren Figuren? Soll er sich die Haare so punkig schneiden lassen wie PDS-Nachwuchsstar Angela Marquardt?

Von Matthias Meisner

Wie will Dietmar Bartsch nur auffallen zwischen all den illustren Figuren? Soll er sich die Haare so punkig schneiden lassen wie PDS-Nachwuchsstar Angela Marquardt? Sich wie Sahra Wagenknecht mit Rosa Luxemburg ein prominentes Vorbild wählen? Wenigstens so eloquent die Talkshows beherrschen wie Gregor Gysi? Wie nur will der Bundesgeschäftsführer der PDS, bisher der starke Mann im Hintergrund, nach oben kommen?

Bartsch ist zwar ein Hüne. Doch wirkt er mit seinen blonden, brav geschnittenen Haaren blass, fast bemitleidenswert unscheinbar. Manchmal versucht er witzig zu sein, aber dann wirkt es doch bloß aufgesetzt. Roswitha Steinbrenner, Mitarbeiterin der PDS-Bundestagsfraktion, setzt einen schelmischen Blick auf, als sie ihn in den Reichstag hineinkommen sieht. Sie versucht eine kleine Typberatung: "Würdest du ohne deinen dünnen Schnurrbart nicht viel besser wirken?" Oder könnte wenigstens der Schnurrbart zum Markenzeichen werden - wie bei Angela Merkel die Frisur? Für die künftige CDU-Chefin präsentierte die "Bild-Zeitung" sogar Image-Vorschläge.

Nur ein kaum erkennbares Lächeln fliegt Bartsch über das Gesicht. Er will nicht mit der CDU-Frau Merkel verglichen werden. Zu leicht könnte ihn das verdächtig machen, seine Karrieregelüste entlarven. An diesem Wochenende tagt in Münster der PDS-Bundesparteitag. Da will der 1,93-Meter-Mann über den Dingen stehen.

Bartsch spürt, wie allenthalben das Tuscheln über ihn begonnen hat. Vor wenigen Tagen hat Lothar Bisky, seit 1993 Parteichef, seiner Amtsmüdigkeit mit dem Satz Ausdruck gegegeben: "Die finale Mülltonne ist voll." Finale Mülltonne, so hat sich der Gefühlssozialist Bisky früher schon einmal genannt, eine Tonne, in der jeder sozialistische Frontkämpfer seinen Frust abladen kann.

Viele in der SED-Nachfolgepartei glauben, der Pragmatiker Bartsch sei der geeignete Nachfolger für Bisky. Geeigneter jedenfalls als die Berliner Landeschefin Petra Pau, die sich von Bisky liebevoll-väterlich "die Kleine" nennen lässt. Die Anhänger einer Kandidatur von Bartsch, zu denen auch der Fraktionsvorsitzende Gysi zählt, rechnen sich aus, dass Bartsch die Partei mehr treiben wird als Amtsinhaber Bisky. Dass er die Querulanten auch mal frontal angreift.

Seine Freunde hoffen, dass er sich bei den linken Dogmatikern weniger anbiedert, und genau deshalb ist den Aktivisten von Kommunistischer Plattform und Marxistischem Forum der anstehende Führungswechsel nicht geheuer. "Etwas verwirrend" seien die Nachrichten über den bevorstehenden Abgang von Bisky, sagt Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum ratlos: "Mir ist nicht klar, von wem das betrieben wird."

Wagenknecht und ihre Bundesgenossen können ganz gut unter Bisky leben. Was würde ein Parteichef Bartsch da anders machen? Nach dieser Frage würde sich der Bundesgeschäftsführer am liebsten hinter seiner randlosen Brille verstecken: Zu seinen angeblichen Ambitionen auf das Amt des Vorsitzenden, nein, da sage er nichts. Aber wenigstens das: "Eine Partei, die sich nicht bewegt, hat verloren." Und: "Einer muss die Auseinandersetzungen zuspitzen."

Da wirkt er für kurze Zeit kraftvoll, und man spürt, dass Bartsch eigentlich gern noch mehr zuspitzen würde. Doch damit er das irgendwann einmal kann, darf es jetzt noch keiner merken. Richtig genervt ist der Parteimanager deshalb, dass Bisky die Debatte um den künftigen PDS-Vorsitzenden angestoßen hat. Unprofessionell sei die jetzige Diskussion, schimpft Bartsch. Denn eigentlich hatte er sich das ganz anders vorgestellt: Der Parteitag in Münster, der erste der PDS in Westdeutschland, sollte Biskys Amtszeit verlängern - über die acht Jahre hinaus, die ein Parteichef bislang führen durfte. Und der sollte dann doch, im Herbst, seinen Verzicht erklären. Bis dahin lässt sich ein unumstrittener Nachfolger aufbauen.

So hätte das dem Macher Bartsch gefallen. Als solcher versteht er sich spätestens seit Sommer 1990, da wurde er Schatzmeister der PDS. Sein Vorgänger Wolfgang Pohl hatte versucht, 105 Millionen Mark aus dem SED-Vermögen ins Ausland zu verschieben. Bartsch rang mit der Unabhängigen Kommission um die SED-Gelder, und er rang zugleich um Respekt und Ansehen in seiner Partei. Wenige Jahre danach kann er verkünden: "Die PDS ist finanziell handlungsfähig."

Effektiv, handlungsfähig, schlagkräftig - so sieht sich der seit drei Jahren amtierende PDS-Geschäftsführer am liebsten. Richtig bang wird ihm, wenn ihn einige seiner Leute zu nassforsch nennen. "Stundenlanges Gelaber ist nicht der Gipfel der Demokratie", rechtfertigt er sich dann.

In Vorpommern aufgewachsen, mit 19 Jahren in die SED eingetreten, Ökonomie-Studium in Berlin-Karlshorst, Promotion in Moskau - Bartsch nennt das eine "typische DDR-Biografie". Dem realsozialistischen Versuch auf deutschem Boden weint er keine Träne nach: Nach der Wende übernimmt er den Verlag Junge Welt als Geschäftsführer und sorgt dafür, dass sich der Herausgeber des einstigen FDJ-Zentralorgans unter marktwirtschaftlichen Bedingungen behauptet.

Jetzt, da er zusehends ins Rampenlicht gerät, machen seine Nerven nicht mehr mit. Fast scheint es, als müsse er fortdauernd sein Image polieren. Eben noch konnte der Parteimanager in einem Porträt über sich lesen, er trage stets modische Sakkos und sei zweifellos im Westen angekommen. Da eilt er schon mit Jeans, grüner Lederjacke und rustikal weiß-blau gestreiftem Hemd mit Stehkragen durch die Flure des Parlaments. "Eine starke Kommunistische Plattform" brauche die PDS, diktiert er einem Reporter in den Block. Um auf die Nachfrage, ob er sich damit nicht vielleicht doch zu sehr anbiedere, zu relativieren: "Wir brauchen nicht diesen Saftladen, den wir jetzt haben."

Doch solch drastische Worte nach innen dürfen sich nur Bundesgeschäftsführer erlauben. "Ein Parteichef kann nicht nur polarisieren", rät ihm ein Genosse aus Sachsen. Also bloß nicht zu früh aus der Deckung gehen. "Kronprinzen werden oft erschossen", hat Bartsch erkannt. Dann hilft auch Rückhalt in der Basis nicht. Die Kür von Merkel sieht er nicht als Vorbild sondern als "scheindemokratisches Verfahren". Aber Merkel ist aufgefallen. Bartsch muss einräumen, dass die Wahl der Ost-Frau an die CDU-Spitze hohe Symbolwirkung hat. Und kann ein wenig Neid nicht verheimlichen.

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