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Dietmar Bartsch: "Wir erleben einen gewissen Zulauf von SPD-Wählern"

Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch über die hessischen Landtagswahlen - und Zuspitzungen in seiner Partei.

Profitiert die Linke bei den Landtagswahlen in Hessen davon, dass die SPD sich nach dem gescheiterten Anlauf für ein Linksbündnis zerlegt?



Die Umfragen sprechen dafür, dass wir gestärkt in den hessischen Landtag einziehen. Im Moment erleben wir einen gewissen Zulauf von ehemaligen Wählern der SPD. Wenn sich die SPD zerlegt, profitiert in erster Linie Roland Koch und seine unsoziale Politik. Ich hätte mich gefreut, wenn es in Hessen zu einem Politikwechsel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit gekommen wäre. Der ist an der SPD gescheitert. Wir wollen am 18. Januar vor allem die mobilisieren, die die zuverlässige Kraft für soziale Gerechtigkeit im Landtag wollen.

Ist der Westen noch nicht reif für Rot-Rot?

Ein Mitte-Links-Bündnis, das wir strategisch wollen, muss aus der Gesellschaft wachsen, nicht aus der Addition von Wahlergebnissen. Inzwischen vertreten wir Themen, bei denen wir eine gesellschaftliche Mehrheit hinter uns wissen – etwa beim gesetzlichen Mindestlohn oder der Forderung des Abzugs deutscher Soldaten aus Afghanistan. Auch in Berlin gab es Vorbehalte gegen Rot-Rot, die nahezu verschwunden sind. Wo die Linke das erste Mal mitregiert, muss sie um Akzeptanz kämpfen.

Was macht Sie so sicher, dass die Linke im Westen reif fürs Mitregieren ist?

Die hessische Linke hat in diesem Jahr ein hohes Maß an Verlässlichkeit bewiesen, das niemand vorausgesehen hat. Jeder wächst mit seinen Aufgaben.

In Hessen gibt es Zoff zwischen den Pragmatikern und denen, die auf Fundamentalopposition setzen und nun wie im Ortsverein Baunatal die Linke verlassen, weil sie ihnen nicht mehr basisdemokratisch genug ist. Wie viele Mitglieder werden Sie im Westen noch verlieren?


Die Linke ist die Partei, die 2008 mit rund 5000 neuen Mitgliedern im Saldo am meisten dazugewinnen konnte. Im Westen haben wir ein Wachstumsproblem, weil unserer Partei zum Teil noch der organisatorische Unterbau fehlt. Wir werden nicht verhindern können, dass auch Mitglieder austreten. Ich hatte mit viel mehr Problemen beim Aufbau im Westen gerechnet.

Angesichts der Finanzkrise werden in Ihrer Partei Forderungen laut, mit radikaleren Positionen auf sich aufmerksam zu machen. Unterstützen Sie das?

SPD und Union stellen inzwischen Forderungen auf, die uns früher als Populismus vorgehalten wurden: etwa die Managergehälter zu begrenzen oder den Spitzensteuersatz anzuheben. Wir sollten daraus nicht den Schluss ziehen, alles noch einmal verbal zuzuspitzen. Unsere Forderungen müssen auch der Praxis standhalten. Die Arbeitslosenzahlen steigen wieder. In Deutschland leben viel zu viele Kinder in Armut. Das sind Probleme, die wir klar und deutlich benennen. Wichtiger als die Rettung aller Banken ist die Beseitigung der Kinderarmut, eine echte Gesundheitsreform, Investitionen in Bildung.

Sie geben als Ziel für die Bundestagswahlen zehn Prozent plus X an. Fürchten Sie, dass die Wähler sich im Krisenjahr eher den großen Volksparteien zuwenden?

Wie die Wähler sich in einer weltweiten Krise verhalten, kann keiner vorhersagen. Wenn wir ein zweistelliges Ergebnis bei den Europa- und den Bundestagswahlen erreichen, wäre das sensationell. Ich kämpfe für ein möglichst großes X.

In Hessen hat eine Landtagsabgeordnete ihre Stellen auf so viele Mitarbeiter aufgeteilt, dass die ergänzend Hartz IV erhielten. In Baden-Württemberg wurde die Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten vom Dienst suspendiert, weil sie gegen einen prominenten Gewerkschafter kandidiert hat. Wie stark beschädigt das die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei?

Natürlich sind solche Einzelfälle keine gute Werbung für die Linke. Zum Glück sind sie die Ausnahme. Es muss aber auch für die Linke möglich sein, jemanden in einem 400-Euro-Job zu beschäftigen, wenn er das möchte. Selbstverständlich nicht, wenn er ergänzend auf Hartz IV angewiesen ist.

Das Interview führte Cordula Eubel.

Dietmar Bartsch (50) ist seit 2007 Bundesgeschäftsführer der Linkspartei. Der einstige SED-Nachwuchskader war nach 1991 führender Funktionär der PDS, seit 2005 sitzt er im Bundestag.

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