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Sich ins Private zurückzuziehen oder sich auf den Sport oder auf den Garten zu konzentrieren, ist keine Lösung für die Zukunft.

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Digitalisierung: Mehr Mut zum Komplizierten!

Menschen können schwierige Situationen einschätzen und Lösungen finden. Deshalb muss man keine Angst vor der digitalen Welt haben. Ein Zwischenruf

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Die Digitalisierung macht den Menschen Angst, bevor sie noch richtig angefangen hat. Werde ich meine Arbeit behalten? Kann ich die neuen Anforderungen erfüllen? Wird das nicht alles viel zu schnell? Behalte ich die Kontrolle? Diese Fragen fordern den ganzen Menschen – oft überfordern sie ihn. Er reagiert gereizt und verdrossen, er zieht sich zurück. Zuversicht und Selbstbewusstsein wären besser. Bisher sind die Menschen noch mit jeder Situation fertig geworden. Warum also nicht auch mit dieser?

Binäre Entscheidungssituationen sind solche, in denen es nur ein Ja oder ein Nein gibt. Digitale Entscheidungen fallen so, entweder null oder 1. Die Digitalisierung erzeugt eindeutige Lösungen. Menschliche Welten dagegen kennen Zwischentöne. Und sie kennen Situationen, die nicht entschieden werden, weil sich viele Dinge im Zeitablauf von alleine erledigen. Hier braucht man weder null noch 1.

Sich im Privaten einzuigeln, ist der falsche Weg

Deshalb ist es unklug, sich in der Unsicherheit der neuen Zeit nur noch dem eigenen Balkon oder Garten zuzuwenden, sich auf Freizeit und Sport zu konzentrieren und sich ins Private zu verabschieden. Denn das Leben draußen wird anstrengender, aber auch interessanter. Rund eine Million Arbeitsplätze werden schon in allernächster Zeit von der Digitalisierung verändert, Stellen werden entfallen, woanders neu geschaffen. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ausgerechnet. Weiterbildung wird also eine viel größere Rolle spielen als bisher.

Schwierige Situationen einzuschätzen und zu bewerten, darüber ein Einverständnis mit anderen zu erzielen, wird ebenfalls viel wichtiger. Komplizierte Dinge zu durchdringen, Lösungen zu finden, die auch für andere akzeptabel sind, sind die Stärken des Menschen. Er muss sich dessen wieder bewusst werden. Nur dann wird er die Digitalisierung des Lebens gestalten können und die geeigneten Rahmenbedingungen für das neue Zeitalter entwickeln. Dann muss er weder zum Maschinenstürmer werden, noch in die geblümte Langeweile urbaner Gärten fliehen. Das Biedermeier bringt einen trügerischen Frieden ins Leben. Aber niemals eine Lösung.

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