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Dioxin in Eiern: Vertrauen aufgezehrt

Als Konsequenz aus dem Dioxinfunden in Eiern und Tierfutter fordern Verbraucherschützer mehr Kontrollen und Transparenz. Warum kommt es immer wieder zu solchen Lebensmittelskandalen?

Von Katrin Schulze

Eier, Schweine-, Hühner- und Putenfleisch, Mozzarella oder Fisch – immer wieder tauchen Spuren von Dioxin, dieser krebserregenden chemischen Substanz, in Lebensmitteln auf. Meist stammt das Gift aus verseuchtem Tierfutter. Auch im jüngsten Dioxinskandal, bei dem bereits mehr als 1000 Bauernhöfe allein in Niedersachsen gesperrt wurden, ist das offenbar der Fall.

Wie viele und welche Produkte genau betroffen sind, ist noch unklar. Dennoch hat das Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt, dass „keine akute Gesundheitsgefahr“ für den Verbraucher vorliege. „Man fällt nicht tot um, wenn man ein Ei oder ein Stück Fleisch isst“, sagt auch Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dennoch gebe es keinen Grund zur Entwarnung. Denn in höheren Dosen kann Dioxin für den menschlichen Organismus durchaus gefährlich sein. Das Problematische daran ist, dass einmal in den Körper gelangter Stoff nicht wieder ausgeschieden wird, sondern sich im Fett dauerhaft einlagert. Schon deshalb habe „Dioxin nichts in Nahrungsmittel verloren“, sagt Benning.

Doch immer wieder kommt das schädliche Verbrennungsprodukt trotzdem in die Ladenregale. Eine Möglichkeit ist, dass Dioxin bei der Trocknungsphase ins Futtermittel gelangt. So war es vor vier Jahren, als für Trocknungsfeuer behandeltes Altholz einen bundesweiten Dioxinskandal auslöste. Aber auch durch fossile Rohstoffe, die bei der Produktion in Tiernahrung gemischt werden, entstehen Verunreinigungen. Im aktuellen Fall soll der Futterfettlieferant Harles & Jentzsch aus Schleswig-Holstein eine Fettsäure verwendet haben, die nur für technische Zwecke bestimmt war. Über 25 Zwischenhändler soll verseuchtes Futter und damit das giftige Dioxin zu Bauernhöfen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gelangt sein.

Futtermittelkontrollen obliegen in Deutschland in erster Linie den Unternehmen selbst – auch der jüngste Skandal wurde durch eigene Proben der Firma aufgedeckt. Die Bundesländer kontrollieren nur stichprobenartig. Das reiche schon lange nicht mehr aus, sagt Agrarexpertin Benning. Seit viele Landwirte ihre Futtermittel nicht mehr in Eigenproduktion als sogenannte Hofmischungen herstellen und stattdessen zunehmend Futter aus der Massenproduktion einkaufen, steige der Preisdruck: Das Diktat, immer billigere Ware anzubieten, führt zu billigen Herstellungsmethoden. Obwohl die Futtermittelzutaten für Schlachttiere durch eine EU- Richtlinie umfassend und streng geregelt sind, ist die Gefahr groß, dass billige und überflüssige Abfallmittel in die Produktion fließen. Sollten Hersteller von Futtermitteln aus Kostengründen bewusst technische Fette einsetzten, wäre das ein Skandal, sagt Bärbel Höhn, stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion. Die betroffene Firma Harles & Jentzsch spricht von einem Irrtum.

Der nordrhein-westfälische Agrarminister Johannes Remmel spricht sich dafür aus, dass Futtermittel und Industriefette nicht mehr am selben Ort verarbeitet werden dürfen. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert schon länger mehr Kontrollen aller Futtermittelzusätze. „Jede einzelne Zutat muss routinemäßig verpflichtend auf Dioxin getestet werden“, sagt Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß. Und dies müsse bundesweit vereinheitlicht werden. Bislang kontrollieren die Länder sehr unterschiedlich. So kommt nach Angaben des Bundesverbands der Verbraucherzentralen in Baden-Württemberg auf 1000 Betriebe nur ein Kontrolleur. In Niedersachsen seien es zwölf. Auch Höhn fordert einheitliche Rahmenbedingungen: „Dass die Länder ihre Zuständigkeiten teilweise an die Kommunen abgeben, ist in einigen Regionen offenbar nicht unbedingt hilfreich.“ Die Zuständigkeit der Länder für die Kontrollen hält sie aber für „grundsätzlich in Ordnung“. Der Bund könne sie nicht leisten.

Weil sich der aktuelle Skandal immer weiter ausweitet – auch in Sachsen- Anhalt wurden mittlerweile 18 Betriebe gesperrt, in Nordrhein-Westfalen weitere 139 Betriebe – hat Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) Konsequenzen angekündigt und lässt prüfen, ob die Regeln für Hersteller von Futtermittel-Rohstoffen verschärft werden müssen. Der Agrarausschuss des Bundestags will sich in einer Sondersitzung mit dem Thema befassen. Die EU-Kommission will von Deutschland wissen, ob belastete Produkte in andere Mitgliedstaaten exportiert wurden.

Aktuell spricht BUND-Expertin Benning von einem riesigen Informationsdefizit: „Sowohl betroffene Produkte als auch Kaufstätten, in denen diese erworben wurden, müssten schleunigst in größtmöglichem Umfang öffentlich gemacht werden.“ Wichtig wäre etwa, sämtliche Erzeugercodes von Eiern betroffener Höfe zu veröffentlichen. Andere Möglichkeiten, Belastungen festzustellen, haben Verbraucher nicht.

Geschehen ist das erst bei vier Betrieben in Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen. So liege der Dioxinwert bei Eiern mit den Codes 2-DE-0350121 und 2-DE-0350372 über dem zugelassenen Wert, sagte Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium warnt vor dem Verzehr von XL-Eiern mit der Stempelnummer 2-DE-0513912 und bräunlichen Eiern mit der Nummer 3-DE-0514411. Diese seien bis zum 23. Dezember verkauft worden. Betriebe der ökologische Lebensmittelwirtschaft dürfen grundsätzlich keine isolierten Fettsäuren und konventionellen Pflanzenöle einsetzen, daher sind Euer und Fleisch aus ökologischer Erzeugung nicht betroffen.

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