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Politik: Diplomatie in letzter Minute

EU verlangt von Ankara bis Anfang Dezember Bewegung im Zypern-Streit – die scheint es nun zu geben

Im Streit zwischen der Europäischen Union und der Türkei um die Hafenöffnung für Schiffe aus Zypern gibt es neue Bewegung. In diplomatischen Kreisen in Ankara war am Mittwoch von „umfassenden Bemühungen“ aller Beteiligten die Rede. Türkische Zeitungen berichteten, die finnische EU-Ratspräsidentschaft arbeite an neuen Vorschlägen. Zudem hätten einige wichtige EU-Länder ihre Bemühungen intensiviert. Ein ranghoher türkischer Beamter sei bereits zu Verhandlungen nach Finnland entsandt worden.

Die finnische EU-Präsidentschaft hat der Türkei bis zum Ende der ersten Dezemberwoche Zeit gegeben, um die Forderung der Europäischen Union nach Öffnung ihrer Häfen für Schiffe aus der zur EU gehörenden griechischen Republik Zypern zu erfüllen. Ankara besteht aber darauf, dass gleichzeitig die wirtschaftliche Isolierung des türkischen Inselteils aufgehoben wird, wie es die EU vor zwei Jahren versprochen hatte. Der türkische Außenminister Abdullah Gül will am kommenden Wochenende zu Gesprächen mit der finnischen Regierung nach Helsinki reisen.

Finnland schlägt vor, mindestens einen Hafen im türkischen Teil Zyperns für den internationalen Handel freizugeben, wenn die Türkei ihre Häfen für die griechischen Zyprer öffnet.

Die englischsprachige „Turkish Daily News“ berichtet, dass Finnland den Türken weiter entgegenkommen wolle. Anders als im ursprünglichen Kompromissplan Helsinkis vorgesehen, solle die Abmachung für die Hafenöffnung nun keinen Hinweis auf die zyprische Stadt Varoscha enthalten. Die griechischen Zyprer verlangen die Rückgabe der seit der Inselteilung 1974 verlassenen Stadt. Die Türkei argumentiert dagegen, die Lösung des Varoscha-Problems müsse Teil einer allgemeinen Friedenslösung für Zypern sein und aus dem Streit um die Hafenöffnung herausgehalten werden.

Es handele sich um „äußerst sensible“ Gespräche hinter den Kulissen, sagte ein Diplomat in Ankara dem Tagesspiegel. Die Dinge seien in Bewegung. Auch die außenpolitisch gewöhnlich gut informierte Zeitung „Radikal“ meldete, die Bemühungen um eine Lösung im Hafenstreit würden verstärkt. Mehrere wichtige EU-Länder setzten sich dafür ein, dass Brüssel die EU-Zusagen an die türkischen Zyprer erfüllen solle. Selbst die als türkeiskeptisch bekannte Regierung Frankreichs habe zuletzt für die türkischen Positionen Partei ergriffen.

Um die internen Beratungen in der EU zum Thema Zypern so weit wie möglich positiv zu beeinflussen, wird die Türkei in der verbleibenden Zeit vor dem Gipfel Mitte Dezember auch in anderen Bereichen aktiv. So soll der von der EU scharf kritisierte „Türkentum“-Paragraf 301 des Strafgesetzbuches noch vor dem Gipfel geändert werden. Die Regierung hatte Gruppen und Verbände aufgefordert, Vorschläge dafür vorzulegen; elf regierungsunabhängige Organisationen wollen diese Woche einen gemeinsamen Entwurf für ein neues Gesetz vorlegen.

Abgerundet wird die türkische Charmeoffensive durch einen neuen Umgang mit der bevorstehenden Türkei-Visite von Papst Benedikt XVI. Aufgeschreckt durch Kritik im In- und Ausland, Erdogan und Gül wollten sich vor einem Gespräch mit dem Papst drücken, erklärte das türkische Außenamt am Mittwoch, selbstverständlich werde sich ein ranghohes Mitglied des Kabinetts mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche treffen, nämlich Vizepremier Mehmet Ali Sahin, der während der Abwesenheit von Erdogan und Gül kommende Woche als „amtierender Ministerpräsident“ agieren wird. Unter dem Eindruck der Kritik lasse sogar Erdogan selbst seinen Terminkalender nun noch einmal überprüfen, berichteten mehrere Zeitungen. Der Besuch von Benedikt XVI. in der Türkei gilt als bislang schwierigste Auslandsreise des deutschen Papstes, seit dessen Regensburger Vortrag vom 12. September von Muslimen als Angriff auf den Islam gewertet wurde.

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