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Diskriminierung von Frauen: Frauenpower in türkischen Moscheen

Das Religionsamt in Ankara will die Diskriminierung in Gotteshäusern beenden. Häufig müssen sie die Gotteshäuser durch kleine Seiteneingänge betreten und dürfen nicht im hellen Hauptraum beten.

Mehmet Görmez ist ein islamischer Fundamentalist, aber ein fortschrittlicher. Als Leiter des staatlichen Religionsamtes in der Türkei ist Görmez der Herr über alle 80.000 Moscheen im Land – und er fordert die Gläubigen auf, sich an die emanzipatorischen Grundlagen des Glaubens zu erinnern.

„Zur Zeit des Propheten nahmen die Frauen nicht nur an den Feiertagsgebeten teil, sondern an allen fünf täglichen Gebeten“, schärfte Görmez kürzlich den Muftis aus allen türkischen Provinzen bei einer Versammlung ein. Daran sollten sich die Türken von heute ein Beispiel nehmen, sagte Görmez und startete ein revolutionäres Projekt: Frauenpower in den Moscheen.

Bisher führen Frauen in türkischen Moscheen ein Mauerblümchendasein. Häufig müssen sie die Gotteshäuser durch kleine Seiteneingänge betreten, während die Herren der Schöpfung durchs Hauptportal zum Gebet schreiten. Im Innern der Moscheen sieht es nicht besser aus. Die Männer beten in den hellen Haupträumen. Die Frauen können sich hingegen auf einer Empore an der Rückseite des Gebetsraumes einen Platz suchen.

„Leider gibt es für Frauen in vielen Moscheen nur dunkle Verließe oder völlig unbenutzbare Räume“, sagte Religionsamtsvize Ekrem Keles im Fernsehen. Oft genug gibt es auch überhaupt keinen Platz für weibliche Gläubige. Görmez findet das unislamisch und will es ändern. Mit dieser und manch anderer Reform kämpft der Religionsamtsleiter gegen das seiner Meinung nach falsche Bild vom frauenfeindlichen Islam.

Und so schickte Görmez mehrere – aus Männern und Frauen bestehende – Expertenteams los, die in Istanbul und anderen Städten die Moscheen auf Frauenverträglichkeit prüfen und bei Bedarf bauliche Veränderungen empfehlen sollen. Bis zum islamischen Fastenmonat Ramadan im Sommer sollen die Frauen in türkischen Moscheen anständig beten können.

Aus der Sicht islamischer Reformer wie Görmez sind nicht die religiösen Grundlagen Mohammeds daran schuld, dass Frauen in islamischen Ländern benachteiligt sind, sondern ein soziales Machogehabe, das nichts mit dem Islam zu tun hat. Man wisse aus Mohammeds Zeiten, dass Frauen während der Predigten ihre Fragen an den Propheten richteten und von diesem auch Antwort erhielten, sagt Görmez. Mancherorts hätten sich aber in der Folgezeit leider „die Traditionen vor die Religion geschoben“.

Nicht nur in den Gotteshäusern tritt das Religionsamt für Frauenrechte ein. Unter anderem bescheinigt die Behörde den türkischen Frauen ein religiös verankertes Widerstandsrecht, wenn ihre Ehemänner rabiat werden sollten, was nach wie vor häufig geschieht: „Wenn sie geschlagen wird, darf sie ihren Mann schlagen, um sich zu schützen“, erklärte das Religionsamt bereits vor einigen Jahren.

Unter der Leitung des Religionsamtes durchforsten türkische Islamgelehrte zudem die Hadithe, Überlieferungen aus Mohammeds Leben, die eine wichtige Grundlage des islamischen Glaubens bilden. Laut Presseberichten sollen bei der Hadith-Reform alle Anekdoten, die nicht eindeutig auf Mohammed zurückgehen, aus dem Kanon gelöscht werden. Das betrifft frauenfeindliche Aussagen wie jene, dass die meisten Menschen in der Hölle Frauen sein sollen oder dass Frauen den Männern geistig unterlegen sind.

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