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Linken-Fraktionschef Gregory Gysi.

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Diskussion in der Neuen Synagoge: Die Linke und der Antisemitismus

In der Neuen Synagoge diskutieren Politiker der Linkspartei und Wissenschaftler über den Antisemitismus in der Linken. Vor allem Fraktionschef Gregor Gysi kommt dabei nicht gut weg.

Von Matthias Meisner

Bestimmt ist es bei der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zuweilen deutlich höher hergegangen. Als Maya Zehden im Namen der Gastgeber zur Podiumsdiskussion "Diffamierung oder berechtigte Kritik? Die Linke und der Antisemitismus" begrüßt, sagt sie, in der Vergangenheit habe es im Saal "sehr unschöne" Vorkommnisse gegeben, das Publikum solle deshalb ausreden lassen und "auf Zwischenrufe und Emotionen" möglichst verzichten.

Doch trotz des brisanten Themas bleibt die Debatte am Sonntag im Vortragssaal der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße ziemlich sachlich. Das liegt vor allem daran, dass für die Linkspartei einer auf dem Podium sitzt, der im Grundsatz das Problem ähnlich sieht wie die Jüdische Gemeinde selbst: der Berliner Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Stefan Liebich.

Die Debatte sei "nicht schön, aber sie ist notwendig", meint Liebich. Nicht alles, was jetzt an Vorfällen in der Linken diskutiert werde, sei gleich antisemitisch, doch die "Problembeschreibung richtig". Denn weder dürften Boykottaktionen gegen israelische Produkte unterstützt werden noch das Existenzrechts Israel infrage gestellt werden, wie es Funktionäre der Linken getan hatten. Der Pluralismus in der Partei dürfe nicht grenzenlos sein. Und deshalb würden er und Gleichgesinnte "nicht mehr schweigen", dies sei "allemal besser als Grabesruhe". Das gelte trotz der Beschlüsse von Bundestagsfraktion und Parteivorstand zum Thema. Denn "leider" sei zu merken, dass trotz dieser klaren Festlegungen das Debattenergebnis noch "kein abschließendes" sei. Ausdrücklich prangert Liebich das trotzkistische Netzwerk Marx 21 in der Linkspartei an, zu dem unter anderem die Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke gehören. Es unterstützt ausdrücklich die umstrittene Gaza-Flottille, bei der im vergangenen Jahr auch zwei Linken-Bundestagsabgeordnete dabei waren, und stellt laut Liebich in seinen Forderungskatalogen auch das Existenzrecht Israels infrage.

Quasi als Ankläger fungiert der Leipziger Wissenschaftler Sebastian Voigt, der die Diskussion vor Wochen mit einer Studie angeheizt hat. Auch er findet "sehr gut", dass die Linke sich jetzt auseinandersetzt. Allerdings wirke Fraktionschef Gregor Gysi beim Thema "sehr hilflos". Und noch sei er skeptisch, ob sich Linken-Politiker wie Liebich am Ende durchsetzen, sagt Voigt. Durch die Partei gehe "ein fundamentaler Riss, der schwer zu kitten ist". In Teilen der Partei gebe es Bewusstsein, die Führung aber würde halbherzig agieren, sie schwanke zwischen Problemerkenntnis und Parteiloyalität.

Auch im Saal sitzen an diesem Nachmittag aus den Reihen der Linken nur Freunde. Maya Zehden von der Jüdischen Gemeinde lobt das Problembewusstsein, das in der aktuellen Auseinandersetzung Linken-Politiker wie Katja Kipping, Jan Korte oder Bodo Ramelow zeigen würden. Sie begrüßt die Vertreter des parteiinternen Arbeitskreises Shalom und bedankt sich beim Berliner Linken-Landesvorsitzenden Klaus Lederer für sein Kommen. Der gibt zu, dass durch die heftige Diskussion immer neue Vorfälle publik werden. „Das ist der Preis, den wir dafür zahlen“, sagt Lederer. Aber er sei überzeugt, dass die Auseinandersetzung in der Linken zwangsläufig und nicht beendet sei. Denn: "Noch haben wir sie nicht gewonnen."

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