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Abgrenzen oder nicht? Die CDU unter Parteichefin Merkel ist sich uneins, wie man mit der AfD umgehen will.

© dpa

Diskussion in der Union: Angela Merkel muss auf die AfD reagieren

Die AfD schwimmt auf einer Welle des Erfolgs. Angela Merkel verweist darauf, dass gut regiert werden müsse. Das aber reicht nicht aus. Warum die AfD nicht ignoriert werden darf – schon gar nicht von der CDU. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ist die AfD ein Problem, oder ist sie keines? Klar ist, dass sie Politik wie Medien vor Probleme stellt. Kein Bericht, so kritisch er ist, schadet der Alternative für Deutschland so richtig, im Gegenteil, jeder Bericht, jeder Kommentar nutzt ihr gegenwärtig in dem Sinn, dass sie bekannter und bekannter wird. Bis sie dann, sagen wir, 98 Prozent aller Wahlbürger kennen. Und das ist ein großes Ziel der Politiker: bekannt zu sein, als Person und mit ihren Forderungen.

Dennoch müssen sich sowohl die politische Konkurrenz als auch die Medien mit dem auseinandersetzen, was die AfD an Alternativen über das Schlagwort in ihrem Titel hinaus anbietet. Gibt sie nur vor, eine Alternative zu sein, oder ist sie es wirklich, und wenn, in welcher Weise? Das herauszuarbeiten gebieten demokratische Souveränität und intellektuelle Redlichkeit. Denn zu den „Etablierten“ zählt in der Demokratie doch der, der die – streitige – Debatte nicht fürchtet, sondern sucht, um sich seiner selbst zu vergewissern. Was bedeutet, über die grundsätzliche Haltung hinaus Positionen zu erkunden. Und sei es, dass die in bewusster Abgrenzung von der anderer gefunden werden, in diesem Fall der AfD.

Ignorieren nutzt am Ende vor allem der AfD

Die Begleiterscheinung, dass die AfD damit bekannter wird, darf eben nicht dazu führen, sie zu ignorieren. Das wäre fahrlässig. Zumal, weil es den vermuteten Aufstieg dieser Partei nicht stoppen, sondern höchstens verzögern und ihr darüber hinaus noch die Möglichkeit geben würde, öffentlichkeitswirksam zu behaupten, sie solle „totgeschwiegen“ werden. Zuverlässig riefe das neues, zusätzliches Protestpotenzial hervor. Das kann von den Parteien, die mit der AfD im Wettbewerb stehen, nicht gewollt sein, in Sonderheit nicht von der CDU, der Christlich-Demokratischen Union.

Die CDU ringt abseits der öffentlich zugänglichen Foren schon sehr um ihr Selbstverständnis. Es ist ja nicht alles Angela Merkel, nicht nur Angela Merkel, was sie ausmacht, und es ist die Frage, was von der CDU übrig ist, wenn sie einmal nicht mehr als Bundeskanzlerin und als Bundesvorsitzende weitermacht. Bis dahin ist von ihr der Anstoß für einen Parteitag, der Politik umfassend auf der Grundlage des christlichen Menschenbilds definiert – Politik im Äußeren wie im Inneren – nicht zu erwarten. Dass es da eine Leerstelle gibt, dass sie zumindest von Einigen so empfunden wird, zeigt sich an den Stimmverhältnissen bei den jüngsten Landtagswahlen.

In Brandenburg wie in Thüringen habe die CDU „Stimmen gewonnen“, behauptete da die stellvertretende Bundesvorsitzende Julia Klöckner. Entweder hat sie sich einfach in der Begrifflichkeit geirrt, oder sie wollte eine Tatsache überdecken, die lautet: Die Partei hat prozentual besser abgeschnitten, aber Stimmen verloren. In Brandenburg gaben ihr jetzt 226844 Wähler die Stimme, 2009 waren es noch 274825; in Thüringen lautet der Vergleich 315096 zu 329302 vor fünf Jahren. Und das war schon das schlechteste Ergebnis der Partei in diesem Bundesland.

Die Lage wird nicht besser dadurch, dass vor fünf Jahren in beiden Ländern die Wahlbeteiligung höher war. Eher ist das ein weiteres Alarmzeichen, dass sich Wähler abwenden – oder anderen Parteien wie der AfD zuwenden. In beiden Bundesländern hat die CDU je 18000 Stimmen an die AfD verloren, erheblich mehr als die SPD. Bei den Jungen ist die AfD auch stark angekommen: 15 Prozent stimmten für die Alternative, 19 Prozent für die CDU. Das ist vielleicht sogar der Wert, der die Christdemokraten am stärksten aufschrecken sollte. Denn wer die Jungen nicht gewinnt, verliert auf Dauer die Macht.

Für die Kanzlerin hat ihre Partei eine rein dienende Funktion

Vor dem Hintergrund war es geradezu antipolitisch, dass Angela Merkel sich nach den Wahlen erstens so ungerührt zeigte, und zweitens, dass sie ihre Partei nicht direkt zum inhaltlichen Kampf um Stimmen ermunterte, sondern meinte, „gute Regierungsarbeit“ sei das beste Gegenmittel. Das zeigt sehr viel, und besonders für die CDU nicht viel Gutes.

Für die Kanzlerin hat die Partei offenkundig eine rein dienende Funktion, sie denkt da funktional, von der Exekutive her, die für sie fast absoluten Vorrang hat, und nicht in politisch-parlamentarischen Partizipationsprozessen. Hier findet sich auch der tiefere Grund, warum Merkel als CDU-Chefin weder ihre Politik von den Grundlagen aus erklärt – nicht bloß in Grundzügen –, noch versucht, ihre Beweggründe für abrupte und Parteigänger verstörende Kurswechsel zu vermitteln.

Das wiederum ist, in ironischem Gegensatz zum neuen Bild der CDU als Partei der Moderaten, eine gleichsam paläonto-konservative Haltung. Aus der heraus wird einem anti-intellektuellen Impuls folgend jede Positionserkundung abgelehnt nach dem Motto: Kennen wir nicht, wollen wir nicht, brauchen wir nicht. Weil es dazu in der CDU keine Alternative gibt, suchen die immer mehr außerhalb. Und das ist nur ein Teil des Problems.

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