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Politik: Disziplin und Notopfer

2008 wollen Bund und Länder ihre Verschuldung in den Griff nehmen – bislang steht aber nur der Zeitplan

Berlin - Bis spätestens Anfang April wollen Günther Oettinger und Peter Struck aufzeigen, wie man bei der zweiten Stufe der Föderalismusreform zu einem Ergebnis kommen kann. Für die große Koalition ist es eines der Kernthemen 2008. Es geht vor allem um Finanz- und Haushaltspolitik und ein bisschen Verwaltungsoptimierung. Bislang ist aber völlig unklar, wie das Ergebnis der vom baden- württembergischen Ministerpräsidenten und vom SPD-Fraktionschef im Bundestag geleiteten Kommission aussehen kann. Die Interessensunterschiede zwischen Bund und 16 Ländern sind beträchtlich. Die vier wichtigsten Punkte im Überblick:

1500 Milliarden Euro Schulden haben Bund, Länder und Kommunen – zu viel. Vorrang bei den Beratungen hat daher die Einführung einer Neuverschuldungsgrenze. Die weitgehend wirkungslose Vorschrift im Grundgesetz – der Artikel 115 – soll abgeschafft werden. Sie band die Schuldenaufnahme an die Höhe der Investitionen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) favorisiert ein Modell nach dem Vorbild des Euro-Stabilitätspakts, also eine feste Prozentzahl der Wirtschafts- oder Finanzkraft. Beim Europakt sind das drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es gibt auch strengere Varianten. Für Notsituationen oder herbe Konjunktureinbrüche soll eine höhere Neuverschuldung erlaubt werden, aber nur unter Bedingungen – so wird überlegt, die Ausnahme an einen festen Tilgungsplan zu binden.

Zwar könnten Bund und Länder – jeder für sich – schon heute striktere Schuldengrenzen beschließen, aber Steinbrück hätte gerne eine für Bund und Länder gleichermaßen verbindliche Schuldengrenze im Grundgesetz. Freilich ist die Ausgangssituation sehr unterschiedlich. Der Bund ist zwar der größte Schuldner, hat aber die Hoheit über die Steuerpolitik und kann sich selber aus dem Sumpf ziehen: siehe Mehrwert- und Abgeltungsteuer. Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen können ihre Schulden allein meistern. Die Hochschuldenländer wie Berlin, Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt stehen dagegen so tief in der Kreide, dass eine strikte Schuldengrenze bei ihnen möglicherweise nicht funktioniert.

Daher gibt es die Idee eines Altschuldenfonds. Wie er konkret aussehen könnte, ist unklar. Die Idee, alle Schulden von Bund und Ländern in einen Topf zu geben und dann gemeinsam zu tilgen, gilt als aussichtslos – es wäre ein zweiter Finanzausgleich, der die jetzigen Zahlerländer zusätzlich belasten würde. Auch Steinbrück ist dagegen. Oettingers Idee, einen Tilgungsfonds einzurichten, der den Ländern für jeden abgebauten Schulden-Euro einen Zuschuss gibt, ist wohl ebenfalls vom Tisch. Hier würden die stärkeren Länder eher profitieren.

Als aussichtsreich gilt ein Vorschlag des rheinland-pfälzischen Finanzministers Ingolf Deubel (SPD): Er will nur die Zinsspitzen der Hochschuldenländer kappen und sie damit dem durchschnittlichen Schuldenniveau annähern. Zur Finanzierung will Deubel – unterstützt von Oettinger, mehreren Ländern und den Grünen – den Solidaritätszuschlag zum „Schulden-Soli“ umwidmen: Da die Mittel für den Osten bis 2019 immer mehr zurückgehen, der Zuschlag zur Einkommensteuer aber bleibt, sieht Deubel ein Legitimitätsproblem. Der „Soli“ zum Schuldenabbau aber sei den Bürgern vermittelbar. Deubel schlägt vor, dass Bund und Länder sich diesen „Schulden-Soli“ teilen. Aber Steinbrück will ihn ganz für sich. In der Kommission heißt es, der Bundesfinanzminister denke hier völlig kurzsichtig.

Auch über ein größeres Maß an Steuerautonomie für die Länder wird diskutiert. Den Einwand der Kleinen, sie seien einem Steuerwettbewerb nicht gewachsen, kontern Wissenschaftler: Gerade den schwächeren Ländern könne mehr Steuerautonomie helfen. Zwei Möglichkeiten gibt es. Zum einen könnten die Länder auch wieder das Gesetzgebungsrecht für jene Steuern bekommen, die allein ihnen zufließen (Erbschaft-, Vermögen- und Kfz-Steuer). Der zweite Weg wären Zu- und Abschlagsrechte bei der Einkommensteuer. Bei mehr Steuerautonomie der Länder müsste der Finanzausgleich teilweise neu gestaltet werden – an das Thema aber traut sich die Kommission nicht heran.

Im Zentrum der Debatte über eine bessere Bürokratie steht auch ein Finanzaspekt: die Einführung einer Bundessteuerverwaltung. Die SPD im Bund und einigen schwächeren Ländern möchte das, der Rest ist skeptisch. Die Aussichten sind damit gering, das Thema könnte aber zum Stolperstein der Kommission werden. Die stärkeren Länder denken gar nicht daran, die Verwaltung aus der Hand zu geben, denn da der Bund ohnehin die gesamte Steuergesetzgebung bestimmt, würden die Länder damit allen Einfluss und jede Kontrolle in der Finanzpolitik verlieren.

Der Bund argumentiert, eine Bundesverwaltung wäre effizienter, die Länder widersprechen. Der Vorwurf, sie machten über die Steuerverwaltung regionale Struktur- und Wirtschaftspolitik, indem sie die Vorschriften locker auslegten, zieht wohl nicht. Der Bundesrechnungshof hat dafür nach Aussage seines Präsidenten kaum Belege.

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